„Es fühlt sich alles noch fresh genug an“

25 Jahre The BossHoss: Die Country-Rocker im Interview über Männerfreundschaft, wilde Backstage-Partys, ihre Liebe zu Amerika und die Lust am Weitermachen
Credit: David Breun

Der eine Schwabe, der andere Ost-Berliner, machten sich Sascha Vollmer und Alec Völkel auf, um mit US-amerikanischem Country-Rock die deutsche Musik­landschaft zu erobern. Seit 20 Jahren touren sie jetzt mit The BossHoss durch die Republik. Zeit für ein offenes Gespräch über wahre Männerfreundschaft, wilde Backstage-Partys, ihre Liebe zum American Way of Life und die Lust am Weitermachen

Unser Treffpunkt ist eine unscheinbare Garage im Osten Berlins. Dort wird das Playboy-Team bereits von Sascha Vollmer alias Hoss Power erwartet. In der Werkstatt schrauben Freunde des Musikers an einem alten Ford Mustang. Draußen hat der 52-Jährige seine beiden eigenen Oldtimer-Schätze geparkt: einen orange­farbenen Plymouth Satellite und einen senfbraunen Dodge-D100-Pick-up-Truck. Was hier noch fehlt? Sein Band-Partner Alec Völkel alias Boss Burns. Es wird noch eine geschlagene Stunde dauern, bis das BossHoss-Duo vollzählig ist und Völkel schweißnass und mit röhrendem V8-Motor in seiner blauen Corvette Sting Ray, Baujahr 1965, anrollt. Kurze Erfrischung – und schon geht’s los: Der gemeinsame „Ausritt“ mit den singenden Asphalt-Cowboys führt uns quer durch Berlin. Zwischendrin bleibt genug Zeit für ein ausführliches Gespräch.

Ihr tourt jetzt seit 20 Jahren mit The BossHoss durch die Lande. Damit gibt’s euch schon doppelt so lange wie die Beatles.   

Sascha Vollmer: Ist es wahr?   

Ja, die gab’s nur zehn Jahre.  

Vollmer: Tolle Sache. Wir sind also größer als die Beatles (lacht).  

Allerdings sind die Stones schon seit mehr als sechs Jahrzehnten im Geschäft. Wie lange habt ihr noch vor, auf der Bühne zu stehen?  

Vollmer: Wir haben uns jetzt keine Deadline gesetzt im wahrsten Sinne des Wortes.   

Alec Völkel: Ja, es fühlt sich alles noch fresh genug an. Wir haben noch voll Bock. Also zehn Jahre mindestens.  

Vollmer: Ich sag, wir haben Halbzeit.  

Eure Single „Hey Ya!“ – ein Cover der Band Outkast – habt ihr 2005 veröffentlicht. Wie haben sich die beiden Jungs, Alec und Sascha, seit damals verändert?  

Vollmer: Zumindest auf dem Papier sind wir älter geworden. Wir haben geheiratet, Kinder bekommen. Aber im Herzen sind wir immer noch so wie damals und haben Bock auf das, was wir da machen. Da ist kein Alterungsprozess erkennbar.  

Völkel: Genau. Wir haben immer noch genauso viel Freude daran, BossHoss zu sein, uns treu zu bleiben und trotzdem immer wieder neue musikalische Dinge auszuprobieren. Also das Feuer brennt noch.  

Vor allem in der Anfangszeit habt ihr Songs anderer Künstler gecovert und ins typische BossHoss-Country-Kleid gesteckt. Wonach wählt ihr eure Songs aus?  

Vollmer: Am Anfang war das ja erst mal nur eine Tresen-Idee. Und es hat uns einfach Spaß gemacht, möglichst genrefremde Songs zu picken und in unserem Style umzusetzen. Wie zum Beispiel den Hip-Hop-Song „Hey Ya!“. In den ersten Jahren ging es uns darum, möglichst viel und originell zu covern.  

Später habt ihr euch dann aber auch an Country-Klassiker gewagt wie etwa „Jolene“ von Dolly Parton …  

Völkel: Ja, das ist ein Song, den wir schon immer gefühlt haben. Und wir haben da ja auch etwas Neues gemacht. „Jolene“ ist ja ein Lied, gesungen von einer Frau über eine Frau – aus der Perspektive einer Frau. Und wenn wir beiden Cowboys den Song machen, ist das schon mal etwas Besonderes. Das gab es so noch nie, wir haben zumindest keine männliche Cover-Version des Songs gefunden. Das war übrigens ganz ähnlich bei „I Say A Little Prayer“ …  

Vollmer: … von Burt Bacharach. Dieser Klassiker wurde von Dionne Warwick gesungen, von Aretha Franklin, you name it. Jede große Soul-Diva hat diesen Song interpretiert – aber kein einziger Mann. Wir waren sozusagen die Ersten und haben deshalb auch bei Burt Bacharach persönlich angeklopft und um Erlaubnis gefragt. Und yes, er fand die Idee geil und sagte uns, dass wir das unbedingt machen sollten.  

Hoss Power: Der 52-jährige Sänger, Multiinstrumentalist, Komponist und Produzent Sascha Vollmer ist der musikalische Kopf der Band „The BossHoss“. Die Songs stammen zumeist aus seiner Feder
Credit: David Breun

Welche musikalischen Vorbilder habt ihr?  

Völkel: Viele. Sascha ist halt schon immer ein großer Elvis-Fan, bei mir war das Metallica, später auch die ganzen Grunge-Bands wie Nirvana und Pearl Jam. Aber natürlich auch AC/DC und Motörhead.   

The BossHoss ist also die Verschmelzung aus Metallica und Elvis Presley?  

Vollmer: Kann man so sagen. Und den Beatles natürlich.   

Gibt es Songs von Bands oder Künstlern, die ihr niemals covern würdet?   

Vollmer: Wenn du uns vor zehn Jahren gefragt hättest, da wäre bestimmt der eine oder andere Name gefallen. Aber mittlerweile hat sich auch unser Horizont erweitert. Was uns reizt, probieren wir aus. Wir haben zum Beispiel ganz lange gesagt, wir machen nichts auf Deutsch. Wir sind eben die German Cowboys, und unsere Roots liegen im Englischsprachigen. Dann haben wir 2017 bei „Sing meinen Song“ mitgemacht und da zum ersten Mal auch deutsche Songs interpretiert.  

Wie kommt das live an, wenn ihr auf Deutsch singt?  

Völkel: Das haben wir ehrlich gesagt noch nicht so wirklich ausprobiert. Zu der „Sing meinen Song“-Zeit haben wir ein oder zwei Nummern auch live gemacht.   

Vollmer: Wir haben zum Beispiel mal in Hamburg gespielt und Nena eingeladen – und auf Deutsch ihren Hit „Leuchtturm“ gesungen. Natürlich in unserer Version.  

Wann wird es von euch ein deutsches Album geben?  

Völkel: Bisher haben wir uns immer dagegen entschieden, und das wird vermutlich auch so bleiben. Wir wollen ja auch nicht in diese Truck-Stop- und Gunter-Gabriel-Ecke rutschen. Nichts gegen Gunter Gabriel, aber da sehen wir uns einfach nicht.   

Sascha Vollmer im Playboy-Interview: „Wir sind eben die Großstadt-Cowboys. Und die reiten Pferdestärken in Form von Muscle-Cars“

Ihr lebt seit 20 Jahren nicht nur musikalisch, sondern auch optisch den Cowboy-Style. Laut Definition ist ein Cowboy eine Person, die sich auf Rinderzucht spezialisiert hat, vorzugsweise in ländlichen Regionen Nordamerikas. Sie ist bekannt für ihre Fähigkeiten im Reiten, Rodeo und anderen Aktivitäten, die mit dem Leben auf einer Ranch verbunden sind. Ihr beide lebt in Berlin. Sascha hat eine Pferdehaarallergie, und du, Alec, hast mit Pferden ebenfalls wenig am Hut. Wie viel Cowboy steckt also in The BossHoss?  

Völkel: Trifft doch alles auf uns zu (lacht). Aber mit einer Sache bin ich tatsächlich ein echter klassischer Cowboy: Zusammen mit meiner Schwägerin, die auf einem Hof in Ostfriesland wohnt, züchte ich seit ein paar Jahren Wagyu-Rinder. Angefangen hat unsere kleine Zucht, als wir dem legendären Lucki Maurer drei seiner besten Tiere abgekauft haben. Aber ja, mit Pferden hab ich es auch nicht so.  

Vollmer: Wir sind eben die Großstadt-Cowboys. Und Urban Cowboys reiten die Pferdestärken in Form von Muscle-Cars oder Bikes. Das ist unser Ding. Wir sind auch nicht die Lasso-Hufeisenwerfer.  

Völkel: Wir lieben die Westernromantik durchaus. Das ist schon cool. Wir lieben den Lone­some Rider …  

Vollmer: Das Outlaw-Underdog-Dasein.  

Völkel: Die Freiheit, dass man sich nicht in bestimmte Regeln pressen lässt, dass man sein Ding macht. Nach dem Motto: Wir kommen in die Stadt und reiten weiter.  

Euer aktuelles Album heißt „Electric Horsemen“. Das ist optisch stark inspiriert von dem legendären Neo-Western mit Robert Redford und Jane Fonda. Was mögt ihr an dem Film?  

Vollmer: Zuerst ist uns das Filmplakat entgegengesprungen. Der leuchtende Cowboy.   

Völkel: Und der Titel hat uns auch gefallen. Horseman ist das alte Wort für Reiter. Und wir fanden, dass das Cover fresh und funky aussieht und gut passt. Dass das aber die Assoziation bei vielen Fans hervorruft, dass es sich hier um elektronische Sounds handeln könnte, war uns nicht so klar. Hätten wir nicht gedacht. War aber so.  

Würdet ihr heute mit dem Wissen die Platte noch mal so nennen?  

Völkel: Wahrscheinlich nicht.  

Boss Burns: Der 1972 in Ost-Berlin geborene Sänger Alec Völkel lernte seinen Band-Partner in einer Werbeagentur kennen. Der gelernte Grafikdesigner ist noch heute für die Gestaltung der Album-Cover verantwortlich
Credit: David Breun

Bleiben wir beim Film. Habt ihr eigentlich einen Lieblings-Western?  

Völkel: „Spiel mir das Lied vom Tod“. Das ist der Western überhaupt. Vor allem wenn es um Spaghetti-Western geht.  

Vollmer: Bei den aktuellen Western habe ich vor allem „The Hateful Eight“ von Quentin Tarantino gefeiert.  

John Wayne oder Clint Eastwood?  

Völkel: Eastwood.  

Vollmer: Oh, ja. 

Wann begann eure Faszination für Cowboys?  

Völkel: Ich glaube schon als Kind. Ich fand das damals schon mega.  

Vollmer: Auf jeden Fall. Bei mir war Karl May der Grundstein.   

Wolltest du Old Shatterhand oder lieber Winnetou sein, Sascha?  

Vollmer: Mal so, mal so. Ich schwankte als Kind immer zwischen Ritter, Winnetou und Old Shatterhand. Aber in erster Linie ging es mir um diese Blutsbrüderschaft. Diese große Freundschaft zwischen eigentlichen Feinden.   

Wer von euch ist Winnetou, und wer ist Old Shatterhand?  

Völkel: Hab ich auch gerade überlegt (lacht).  

Vollmer: Als wir uns kennengelernt haben, warst du Winnetou. Du hattest Haare bis zum Arsch (lacht).  

Willie Nelson oder Johnny Cash?  

Völkel: Oha. Kann man gar nicht so vergleichen, die beiden. Sehr unterschiedlich. Beide richtig coole Dudes.   

Vollmer: Ich tendiere mehr zu Johnny Cash. Aber beide tolle Songwriter. Krasse Musiker.  

Alec Völkel im Playboy-Interview: „Ich glaube, Country war schon immer cool“

Warum ist Country weltweit eigentlich gerade so angesagt, siehe Beyoncé mit ihrem Nummer-1-Hit „Texas Hold’em“?  

Vollmer: Na, weil ihn Beyoncé singt (lacht).  

Völkel: Ich glaube, Country war schon immer cool. Viele haben sich dennoch nicht getraut, den Style auszuleben. Aber auch die hippen Leute merken jetzt, hey, da ist schon gutes Zeug dabei. Und Sascha hat natürlich recht, wenn eine Beyoncé das macht, dann ist das plötzlich fresh und cool.   

Vollmer: Oder ich sag’s mal so, wenn wir den Song geschrieben hätten, wäre er mit Sicherheit nicht so erfolgreich geworden.  

Ihr feiert den American Way of Life und seid auch schon in den USA aufgetreten. Warum ist eine US-Tour dennoch keine Option für euch?  

Vollmer: Wir leben den American Dream in Berlin. Und sind auch hier total ausgelastet. Wenn man als Künstler nach Amerika will, muss man zwei, drei Jahre einplanen und für die Zeit rüberziehen. Und da­rauf haben wir keinen Bock.  

Völkel: Unser Markt ist hier.  

Vollmer: Unsere Familien sind hier. Wir fühlen uns hier wohl und leben gern hier. Keiner hätte Ambitionen, jetzt für zwei Jahre nach Amerika zu gehen. Wenn jetzt jemand anruft und sagt, kommt mal rüber für einen Gig, klar, dann sagen wir auch nicht Nein.   

Was liebt ihr an Amerika eigentlich am meisten?  

Vollmer: Also bei mir geht es zurück in meine Kindheit. Die Schwester meiner Mutter hat einen GI kennengelernt, damals in Heidenheim. Und der hat sie mit nach Amerika genommen. Das heißt, mein Kontakt zu Amerika besteht seit Kindertagen. Wir waren oft dort. So habe ich schon ganz früh die Liebe zu Amerika entwickelt. Ich habe alles als geil empfunden. Ich finde amerikanische Autos geil, die Motorräder geil, Musik geil, Essen geil. Insofern würde ich sagen, mehr braucht es nicht, um ein Land klasse zu finden.  

Völkel: Ist bei mir ähnlich. Ich habe zwar keine Familie dort, aber die Liebe zu Amerika war auch schon immer da. Vielleicht hat das bei mir auch damit zu tun, dass die Faszination für Amerika in der DDR noch mal krasser war.   

In welcher Hinsicht können wir Deutschen uns denn eine Scheibe von den Amis abschneiden?  

Völkel: Vom Machergeist. In Amerika ist es okay, wenn du was probierst und es nicht geklappt hat. Wenn hier in Deutschland was nicht klappt, bist du doch immer gleich ein Loser.   

Vollmer: Selbstbewusstsein. Ich rede jetzt nicht von nationalistischem Denken, aber wir gehen hierzulande schon sehr gebückt. Das ist natürlich in gewisser Weise geschichtlich gesehen begründet und auch richtig. Aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein würde uns schon gut zu Gesicht stehen.   

Was mögt ihr an den USA weniger?   

Völkel: Diese selbstgerechte, arrogante Haltung. Sich für den Nabel der Welt zu halten.  

Vollmer: Und natürlich Trump.  

In diesem Jahr wird in den USA ein neuer US-Präsident gewählt. Mit welchen Gefühlen seht ihr dieser Wahl entgegen?  

Vollmer: Furchtbar. Ich darf gar nicht drüber nachdenken. Es wäre fatal für die Welt, wenn dieser Verbrecher wiedergewählt würde. Man fragt sich auch: Wie ist es möglich, dass der überhaupt noch mal antreten darf?  

 

Neben der Liebe zur Musik verbindet Alec Völkel (l.) und Sascha Vollmer auch die Leidenschaft für US-Cars. Für unser Shooting gingen die beiden in ihren Autos auf einen kleinen Roadtrip durch Berlin
Credit: David Breun


Ihr scheut euch nicht, euch auch zu politischen Themen zu äußern. Eure Musik ist allerdings vollkommen unpolitisch. Auf euren Konzerten herrscht Partystimmung.  

Völkel: Ja, wir wollen den Leuten eine gute Zeit ermöglichen. Wir sind beide durchaus politisch interessiert. Aber bei unserer Musik steht die politische Botschaft nicht an erster Stelle.  

Eine Ausnahme ist der Song „For What It’s Worth“. Den legendä­ren Anti-Kriegs-Song von Buffalo Springfield habt ihr als Solidaritätsbekundung für die ukrainische Bevölkerung aufgenommen. Und sämtliche Einnahmen gespendet. War das eine einmalige Aktion, oder dürfen wir weitere politische Statements in eurer Musik erwarten?   

Vollmer: Der Krieg hat uns damals richtig aus den Latschen gekippt. Und die Nummer hatten wir schon länger in der Schublade liegen. Wir haben den Song dann innerhalb von einer Woche aufgenommen und rausgebracht. Das war uns schon sehr wichtig. Deswegen kann das auch wieder passieren. Vielleicht wenn Trump gewinnt …  

Es gibt einige deutsche Künstler, die sich ebenfalls politisch äußern und sich beispielsweise klar gegen die AfD positionieren. Helene Fischer hat das sogar bei ihren Konzerten gemacht. Und auch Roland Kaiser. Habt ihr keine Angst, eure Fans durch politische Aussagen zu verprellen?  

Völkel: Nein.  

Vollmer: Diesbezüglich auf keinen Fall. Alles, was rechtsextremistisch ist, wollen wir als Fans gar nicht haben.   

Alec, du bist in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Du warst 17, als die Mauer fiel. Wie hast du deine Jugend in Erinnerung?  

Völkel: Boah, trostlos. Ich denke wirklich nicht nostalgisch an die Zeit in der DDR zurück. Ich erinnere mich an unfassbare ideologische Gängelungen. Ich habe schon als kleines Kind gemerkt, dass die mir was eintrichtern wollen.   

Wonach hast du dich damals am meisten gesehnt?  

Völkel: Die Freiheit zu haben, so zu leben, wie man es wollte. Und mir wurde ziemlich früh bewusst, also mit elf, zwölf, als es bei mir mit Musik losging: Du kannst die Musik, die Platten, die du liebst, nicht kaufen. Die Künstler durften bei uns ja nicht auftreten.   

Sascha Vollmer im Playboy-Interview: „Uns war sehr früh bewusst, was uns verbindet“

Sascha, du bist im beschaulichen Ländle aufgewachsen, in Heidenheim, tiefster Südwesten. Bist du eigentlich Fußballfan?  

Vollmer: Na ja, seit ein paar Jahren sehr wohl (lacht). Ich war als Kind mit meinem Vater öfters im Fußballstadion, das war damals Kreisliga oder so. Ich war immer mit dabei und habe Pfandflaschen eingesammelt und mich gefreut, wenn ich dann mit drei, vier Mark nach Hause kam. Wenn ich heute mal in der Heimat bin, meine Eltern besuche, bin ich auch mal im Stadion.  

Auch knapp 35 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es immer noch starke Unterschiede zwischen Ost und West. Ist das auch Thema bei euch beiden?  

Völkel: Nein. Das war es auch zu Beginn unserer Freundschaft nicht.   

Vollmer: Zumindest nicht im Sinne, ob und was uns unterscheidet. Uns war sehr früh bewusst, was uns verbindet. Wir sagen immer, wir sind das Sinnbild der Wiedervereinigung. Der Junge aus dem Westen kommt nach Berlin und trifft den Jungen aus dem Osten. Sie sehen sich zum ersten Mal und werden Freunde fürs Leben. Würde die Mauer noch stehen, dann würde es BossHoss nicht geben.  

Völkel: Bei The BossHoss ist zusammengewachsen, was zusammengehört (lacht). Wir suchen die Gemeinsamkeiten, nicht die Unterschiede.  

Was macht eure Freundschaft aus?  

Vollmer: Wo fangen wir da an? Wir hatten immer schon das Thema Musik. Und dann später, als die Freundschaft sehr innig wurde, haben wir uns auch ein Stück weit in Ruhe gelassen. Und wir streiten eigentlich nie.  

Völkel: Wir haben extrem viele Gemeinsamkeiten, vor allem natürlich musikalisch. Ein wichtiger Punkt ist, dass wir seit 20 Jahren die Eltern von BossHoss sind. Das ist unser gemeinsames Baby. Es bedeutet uns beiden viel, dass wir miteinander Entscheidungen treffen. Ganz oft merken wir, dass wir eigentlich ganz häufig gleich denken, das Gleiche wollen. Und das schweißt natürlich zusammen.  

Worum beneidet ihr den anderen am meisten?  

Völkel: Sascha ist unfassbar musikalisch. Er spielt Gitarre, Klavier, kann Drums programmieren, einen kompletten Song als Demo aufnehmen. Darum beneide ich ihn, denn das kann ich nicht. Ich habe Ideen und ein sehr gutes musikalisches Verständnis. Aber ich kann das nicht so aus dem Ärmel schütteln wie Sascha, da er einfach viel mehr musikalische Skills hat.  

Und du Alec, worum beneidest du Sascha?  

Vollmer: Um seine Tattoos (lacht). Darüber hinaus hat Alec eine unglaubliche Sozialkompetenz und Ausgeglichenheit.   

Was geht euch bei dem jeweils anderen am allermeisten auf den Keks?  

Vollmer: Also seine Unpünktlichkeit, die nervt mich schon oft, muss ich sagen. Aber natürlich nicht so, dass es ein Dealbreaker wäre für unsere Freundschaft. Wir ergänzen uns schon echt gut.  

Wer ist hier der Boss? Die beiden Frontmänner von The BossHoss praktizieren seit 20 Jahren eine klare Aufgabenteilung: Alec (l.) gestaltet, Sascha komponiert
Credit: David Breun


Ihr lebt ja eine klare Aufgabenteilung. Sascha komponiert die meisten Songs, Alec gestaltet die Plattencover. Ist das einer der Gründe für eure lange Freundschaft?  

Völkel: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass jeder seinen Bereich hat.   

Ihr seid beide gelernte Werbegrafiker und habt euch in einer Agentur kennengelernt. Wer von euch beiden hat eigentlich das bessere Auge?  

Vollmer: Alec würde ich sagen.  

Völkel: Die grafische Gestal­tung ist schon meine Passion. Wäre nicht so gut, wenn wir tauschen würden. Ich mache die Songs, er das Cover.   

Vollmer: Du hast das bessere Auge, ich habe das bessere Ohr.  

Dem Mann an sich geht es nicht gut, heißt es gerade immer wieder. Man gibt ihm die Schuld an allem, was schiefläuft in der Welt. Sexismus, Gewalt, Populismus. Ist Mannsein heute noch cool?  

Völkel: Ich würde mich als Erstes bei Klischees immer erst mal rausnehmen. Jeder ist anders. Ich habe mich immer als Individuum betrachtet, und ich finde es fatal, die Menschheit in nur zwei Blöcke aufzuteilen: in Männer und Frauen.  

Vollmer: Alles Extreme ist grundsätzlich scheiße. Wenn extrem männlich zu sein bedeutet, dass man chauvinistisch ist und Frauen benachteiligt, dann ist das scheiße.  

Völkel: Für mich galt immer, dass sich Frauen und Männer auf Augenhöhe begegnen. Deswegen fühle ich mich nicht verantwortlich für das Männerbild. Aber wir haben gerade eine Zeit, in der das Pendel stark in eine Richtung ausschlägt. Das ist, wenn es einen Umbruch gibt, immer erst mal normal. Aber wenn es sich in der Mitte wieder einpendelt, dann bin auch ich wieder entspannter.  

Ihr seid ja beide Väter. Was sollen eure Kids von euch lernen?  

Vollmer: Respekt, Freundschaft. Das wäre schön, wenn sie das mitnehmen.  

Völkel: Ja, Werte. Empathie für andere. Und dann, wenn es um ihren eigenen Weg geht, keine Scheu davor zu haben, sich auszuprobieren. Keine Angst vorm Scheitern zu haben.   

Vollmer: Genau. Und versuchen, seine Träume zu leben. Da werden sie auf jeden Fall unsere volle Unterstützung haben. Wir selbst haben ja auch die Chance bekommen, unseren Traum zu leben.   

Ihr habt eine große Leidenschaft für Motoren. Seien es US-Cars oder Motor-Bikes. Was macht die Faszination alter Schlitten aus?  

Völkel: Die Ästhetik in allererster Linie. Ich finde US-Schlitten einfach wunderschön. Ganz im Gegensatz zu modernen Autos. Heute ist das Funktionale wie Aero­dynamik tausendmal wichtiger. Aber wenn du in so einer alten Karre sitzt, ist das ein anderes Lebensgefühl, als wenn du in ein Auto von heute einsteigst.  

Vollmer: Ja und die Individualität dieser Autos. Heute sehen doch alle Autos gleich aus. Früher waren die alle auf den ersten Blick sofort zu erkennen. Jedes hatte seinen eigenen Stil. Und was Bikes betrifft, das hat mich schon zu Teenager-Zeiten fasziniert: diese Freiheit, auf dem Bock zu sitzen – Helm auf, Ruhe. Heute schätze ich das sogar noch mehr. Kein Handy, nichts. Du bist allein auf dem Bike und fährst. Ich kann da auch viel ausblenden, was ich jetzt gerade nicht im Kopf haben möchte.

 

Let’s talk about sex, drugs and rock ’n’ roll. In euren Videos scheut ihr euch nicht davor, auch klassische Rock-Klischees zu bemühen. Thema Groupies: Wie hat sich das geändert, seitdem ihr selbst Familien habt?  

Völkel: Es hat sich deutlich geändert, klar. Wenn du mit 30 anfängst als Single, dann lässt du keine Party aus. Inzwischen sind wir deutlich ruhiger geworden. Wir sind verheiratet, wir sind stolze Väter. Wir haben doch wirklich jede Party mitgenommen. Wir brauchen das heute nicht mehr so. Außerdem haben wir heute auch eine große Verantwortung, wenn wir auf Tour gehen. Die Konzerte sind größer als damals. In den ersten Jahren war es uns auch völlig egal, wie lange das alles geht. Da wurde einfach gefeiert.  

Vollmer: Sagen wir mal so, wir hatten nicht damit gerechnet, dass sich alles so lange trägt. Damals haben wir einfach alles mitgenommen, was kam. In jeder Hinsicht. Inzwischen haben wir ein Geschäftsmodell auf diesem Traum aufgebaut. Aber ohne Leidenschaft könnten wir das alles natürlich nicht machen.   

Ist die sogenannte Row Zero ein gängiges Phänomen im Rock-Business?  

Vollmer: Wie bei Rammstein? Auf keinen Fall. Ich hatte das vor diesem Skandal noch nie gehört.  

Völkel: Ich auch nicht. Man kennt natürlich die ganzen Backstage-Partys, klar. Das ist schon normal. Dass da auch viele Mädels landen, ist auch kein Geheimnis. Aber dass die systematisch ausgesucht und vorgecastet werden und irgendwo hinbestellt werden, das haben wir so auch noch nicht erlebt. Wir haben das zumindest so nie praktiziert, und das wäre auch nicht unser Ding.  

Ihr habt inzwischen zehn Alben veröffentlicht. Was rockt eigentlich mehr? Seine Single erstmals im Radio zu hören oder vor Zehntausenden Fans zu spielen?  

Vollmer: Das kannst du nicht vergleichen. Beides geil. Als wir zum ersten Mal im Sprinter über die Autobahn fuhren und dann kam auf einmal „Hey Ya!“ im Radio, was haben wir uns da abgefeiert.  

Völkel: Ja, grandios.  

Vollmer: Aber als wir zum ersten Mal vor 10.000 Leuten gespielt haben – oder sogar vor 80.000 bei Rock am Ring, das ist natürlich genauso geil.   

Völkel: Mir bedeutet das schon mehr, live vor Leuten zu spielen. Denn du weißt, die sind wegen dir da. Das sind deine Fans, die tragen dich. Wegen all denen dürfen wir das überhaupt alles nur machen.