Multitalent Rocko Schamoni über seine neue Show: „Erst mal müssen wir sehen, wie die verfickten Klickzahlen sind“

Rocko Schamoni: Nicht nur seine neue Sendung verspricht eine „Super Show“
Credit: David Koenigsmann

In den 90er Jahren wurde Rocko Schamoni als Teil von Studio Braun zusammen mit Heinz Strunk und Jacques Palminger bekannt. Jetzt hat der Schauspieler, Schriftsteller und Musiker mit der „Rocko Schamoni Supershow“ eine neue Sendung, in der er Prominente zum Interview trifft und gleichzeitig die Show-Branche aufs Korn nimmt. Wie viel Wahrheit in der „Rocko Schamoni Supershow“ steckt und welche Projekte er mit seinen Kollegen von Studio Braun plant, verriet er uns im Interview

„Erfolg kennt keinen Anstand“ sagt Gereon Klug, der in der neuen „Rocko Schamoni Supershow“ ihren schmierigen Manager spielt. Wie anständig waren Sie in Ihrer Karriere?

Ich habe mich an die strengen von mir selbst aufgestellten Regeln gehalten. Ich habe bis auf einen einzigen Fall keine Werbung gemacht – und es gab viele Angebote. Mir fällt nichts Unanständiges ein, bis auf unflätiges Benehmen vielleicht.

Rocko Schamoni: „Wir haben früh versucht, uns gegenüber Frauen nicht sexistisch zu verhalten“

Wie sehen diese selbst auferlegten Regeln sonst noch aus? 

Das waren in den 80er Jahren so gewisse Regeln aus dem Punkrock. Wie man sich geschlechterspezifisch untereinander verhält. Wir haben früh versucht, unhierarchisch untereinander zu sein, uns gegenüber Frauen nicht sexistisch zu verhalten, was uns vermutlich nicht immer gelungen ist, weil wir letztendlich doch relativ heteronormativ aufgewachsen sind. Aber wir haben zumindest versucht darauf zu achten. Wichtig war, unsere Kunst unter selbstkontrollierten Bedingungen herzustellen und sie bei unabhängigen Labels rauszubringen, die uns fair behandeln.

Das sind alles Werte, die man heute auch von modernen Unternehmen hört. War der Punk da Vorreiter?

Punkrock hat das als erster professionalisiert. In den 70er Jahren sind erste Selbstverwaltungskonzepte für Labels und Verlage entstanden. Im Punk war es das erste Mal so, dass sich Bands wie zum Beispiel The Damned in England selbst und frei organisiert haben.  Die allererste Punkrock-Single New Rose haben The Damned auf einem der ersten Independent Label – Stiff Records- rausgebracht. Von dem Moment an wurde Unabhängigkeit formuliert und professionalisiert. Das haben wir in den 80ern auch in Deutschland übernommen, um die Kontrolle über unsere Kunst und unser Leben zu erhalten.  

Ihre neue Show spielt mit einer fiktiven Rahmenerzählung, in der Gereon Klug Ihren unangenehmen Manager spielt. Sie geben den genervten, desillusionierten Künstler in der Krise. Wie viel Wahrheit steckt in dieser Rahmenerzählung?

Sehr viel. Durch Corona war ich im freien Fall nach unten. Es ging buchstäblich nichts mehr. Und auch danach war es extrem schwer, wieder auf die Beine zu kommen. Der Niedergang ist also selbst erlebt. Und ich bin in meinem Leben auch durch viele Manager-Hände gegangen, war bei sehr vielen Labels, auch bei den meisten großen. Das ist alles aus erster Hand, wenn auch angespitzt.

Rocki Schamoni Supershow: Gereon Klug (l.) gibt den schmierigen Manager, Rocko Schamoni (r.) empfängt Gäste wie Klaas Heufer-Umlauf
Credit: Benjamin Raederer

Wann war der Punkt, an dem Sie wussten, dass Sie Künstler werden wollen? 

Das wusste ich mit 15 schon. Bloß meine Eltern wollten mir diesen Gedanken so früh und so lange wie möglich austreiben. Es war für sie nicht erkennbar, warum ich mit meinen deutlich reduzierten Fähigkeiten durchstarten könnte- ich habe wirklich nicht mehr als drei Akkorde gekonnt. Und die Melodien, die ich darüber gesungen habe, waren als solche nicht zu erkennen. Dass ich eine Vision von mir hatte, war mir selbst zwar klar, aber auch ich wusste erstmal nicht, welche. Ich wusste nur, dass ich aus der engen und kleinen Provinz raus muss, um zu erstrahlen. Wie man sich das als Jugendlicher so vorstellt. Ich habe das Licht gesucht.

Gab es da jemanden, an dem Sie sich festhalten konnten?

Ich habe enorm viel Input und Energie von Schorsch Kamerun, Daniel Richter, von den Toten Hosen und von den Ärzten bekommen. Ich war 19 oder 20 und diese Leute haben mir gesagt „Nimm mal den Song auf, der ist toll!“ und „Das ist ein toller Text. Nimm mal den und mach daraus was!“ Ich war mit den Hosen auf Tour und Bela hat mich produziert. Von denen durfte ich viel lernen, was den Pop-Bereich anbelangt.

Rocko Schamoni über seine Talk-Gäste: „Das sind Personen, die was zu sagen haben“

In der „Rocko Schamoni Supershow“ sprechen Sie mit Linda Zervakis, Joy Denalane, Klaas Heufer-Umlauf und Charly Hübner. Wie kam es zu dieser Auswahl?

Das sind vier Personen, von denen ich wusste, dass sie was zu sagen haben und denen ich auch mit Sympathie verbunden bin. Ich hätte den Job ungern mit mir fremden und nicht geistesverwandten Personen gemacht. Ich bin ja kein Moderator von der Stange, sondern eher eine Art Freund zum sprechen. 

Die Show besteht aus zwei Elementen: Ihre Gespräche mit den genannten Persönlichkeiten sind in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet. Sie spielen zum einen ein Abbild von sich selbst, nehmen aber sonst die Interviewer-Position ein. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Ich schreibe Bücher und da tut gut, wenn man zuhören kann. Zum Zweiten habe ich meine Jugendeitelkeit hinter mir gelassen. Ich muss die Schnauze nicht mehr ständig aufreißen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich da an den richtigen Stellen die Fragen stelle, dann haben die was zu sagen. Dass Linda Zervakis mir berichtet, wie unkünstlerisch es in ihrer Familie war und wie schwierig es für die Eltern war, weil sie als Einwanderer in Deutschland überleben mussten und deshalb keine Zeit für Kunst hatten – das hat mich berührt, das ist ein interessantes Bekenntnis. Das muss man honorieren. So jemanden muss man aussprechen lassen. Es hat mich gefreut, dass da so viel Freimütigkeit dabei war.


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Gibt es etwas, was Sie von Ihren Gesprächspartnern in der Reihe gelernt haben? 

Das kann ich nicht in Listenform sagen. Es gibt immer etwas, was mir auffällt, was diese oder jene Person draufhat, was ich zumindest im positiven Sinne beneide. Charly Hübner hat ein Gedächtnis, das ist so groß wie eine Elefantenhöhle. Das ist bizarr, was der hochholen kann. Der kann sich ganze Theaterstücke reinstellen und die dann wieder abrufen. Das ist irre! Oder Joy Denalane, die so eine unglaubliche Musikalität hat und aus dem Nichts sofort darauf zugreifen kann. Das ist etwas, was ich sehr bewundere. Denn ich bin in erster Linie nach wie vor Fan. Das wiederum habe ich von Bela gelernt, den Fan in sich nicht zu verlieren.

Viele Weggefährten von Ihnen haben irgendwann den Weg in den Mainstream genommen, sie sind immer der unabhängigen Kunst treu geblieben. Wären Sie nicht gerne manchmal gerne Mainstream? Oder haben Sie diese Rolle bewusst gesucht?

Die habe ich bewusst gesucht. Ich möchte lieber fernbleiben aus dem Kern des Mainstreams. Ich kriege es ja bei Freunden von mir mit, wie wahnsinnig anstrengend das Leben wird. Und ich beneide sie um kein Jota darum. Ich kann hier in Hamburg normal die Straße lang gehen. Manchmal spricht mich jemand an und selten muss ich auch ein Selfie machen, hält sich aber alles in Grenzen. Ich möchte nicht in der Klatschpresse stehen, sondern einfach nur für meine Kunst beobachtet und bestenfalls honoriert werden. Wenn ich etwas rausbringe, dann stehe ich auch dafür gerade. Aber danach und davor bin ich ein normaler Typ, der nicht besonders spannend ist. Es gibt Leute, die brauchen Blitzlicht und Beobachtung, wollen überall erkannt werden. Dass im Restaurant sofort der Tisch bereitsteht. Ich möchte das nicht.

In der Vorbereitung auf unser Interview ist aufgefallen, dass es den Menschen oft schwerfällt, Sie und Ihre Kunst einzuordnen. Egal ob es um Solo-Projekte geht, oder das Werk von Studio Braun. Fühlen Sie sich manchmal behandelt wie eine Art Außerirdischer?

Ja, im Zusammenhang mit uns wird gern der Begriff „schräg“ verwendet. Und ich kann dazu immer wieder sagen, ich empfinde mich selber, uns drei und die Art und Weise, wie wir auf die Welt schauen, als extrem unschräg, oder im Gegenteil- als besonders gerade. Wir beobachten eine schräge Welt und schreiben diese auf, weil sie so kaputt und verrückt ist. Wir nehmen diese schräge Welt und spiegeln sie. Und dann kommen Leute aus den Medien dieser schrägen Welt und bezeichnen uns als schräge. Das liegt an ihrer eigenen Schrägheit.

Ist das ein Problem, das wir besonders in Deutschland haben? Wer nicht den Erwartungen und Vorstellungen entspricht, hat es erst einmal schwer. Jemand wie ihr Weggefährte Helge Schneider hat vor allem in seiner Anfangszeit für viele Fragezeichen gesorgt.

Das empfinde ich genauso, ja. Helge sieht sich als Volkskomödiant, als jemand, der wie Karl Valentin auch für die große Menge da ist. Ich sehe mich gar nicht als Komödiant, sondern einfach nur als jemand, der ab und zu mit Humor arbeitet. Und ich lasse mich deswegen ungern als schräg, merkwürdig, komisch, bunten Vogel oder sowas abstempeln. Ich bin einfach nur ein Künstler, der mit Spiegelsystemen arbeitet.

Rocko Schamoni über den Erfolg seiner Show: „Erst mal müssen wir sehen, wie die verfickten Klickzahlen sind“

Sie sind gelernter Töpfer, heute erfolgreich als Schriftsteller, Musiker und Schauspieler. Gibt es in Ihrer Arbeit ein Feld, das Sie sich noch vorgenommen haben?

Innerlich bin ich wie ein Fünfjähriger: Extrem wissenshungrig und lernbegierig. Es gibt zwei Bereiche, die mich seit Jahren stark interessieren, mit denen ich arbeiten möchte. Das eine ist die Keramik und das Fliesenherstellen, was ich auch schon mache. Da möchte ich noch viel weiter vordringen. Das ist ein Kernbereich in mir geworden, obwohl ich 30 Jahre lang keinen Ton angefasst und ihn verflucht habe. Das andere sind Film und Regie. Dieser Bereiche ist für mich heilig. Ich bin Cineast und besitze eine große Filmsammlung.  Die Produktion eines Films ist allerdings so aufwendig, dass sich bei mir immer andere Projekte nach vorne gedrängelt haben. Das nächste Buch, die nächste Platte, das nächste Theaterstück. Aber ich habe es mir fest vorgenommen und habe ein tolles Thema, über das ich einen Film machen möchte. Ab nächstem Jahr soll es damit auch endgültig losgehen.

Wie steht es um neue Projekte mit Ihren Kollegen von „Studio Braun“?

Wir sind schon jetzt verabredet mit den Proben für „Ein Sommer in Niendorf“ von Heinz Strunk am Deutschen Schauspielhaus im Januar des nächsten Jahres. Die Premiere haben wir am 28. März 2025. Das könnte sehr gut werden, weil wir da so ganz spezielle neue Ideen von Verschachtelung und Storytelling haben. Darauf freuen wir uns alle ein bisschen. Ich möchte auch mit den beiden weitere Filmprojekte machen.

Als „Studio Braun“ wurden Rocko Schamoni (l.) Jacques Palminger und Heinz Strunk (r.) in den 90ern bekannt
Credit: IMAGO / POP-EYE

Die „Rocko Schamoni Supershow“ hat jetzt erstmal vier Folgen, es gibt aber sicher Potential für mehr, wenn die Show erfolgreich läuft… 

Also natürlich ist das ein Appetizer, wenn man so will. Gleichzeitig haben wir gelernt, dass es sehr aufwendig ist, diese Show zu produzieren. Ich hätte dennoch Lust drauf, weitere Folgen zu machen.

Gibt es denn schon Wunschkandidaten, die Sie für weitere Folgen der „Rocko Schamoni Supershow“ interviewen möchten?
 
Vor über einem Jahr schon, habe ich gesagt: „Bitte, bitte, bitte lasst uns Sandra Hüller einladen.“ Ich konnte mich nicht durchsetzen, und jetzt können wir das aus den bekannten Gründen für alle Zeiten vergessen, wir haben sie an Hollywood verloren. Vor einem Jahr wäre sie vielleicht noch gekommen. Ich habe Helge Schneider schon mal darauf angesprochen und würde auch gerne mal einen Tag mit Julie Zeh verbringen, um mit ihr über den Untergang der Demokratie zu sprechen. Aber erst mal müssen wir sehen, wie die verfickten Klickzahlen sind. Vor 20 Jahren hatten die Leute Angst vor den Quoten. Jetzt ist es noch banaler. Jetzt haben die Medienleute Angst vor Klickzahlen. Auf die Einzelstelle hinterm Komma wird jetzt festgelegt, wie viele Leute das in wie vielen Stunden angeklickt haben. Ich habe keine Ahnung, ob wir da durchkommen können. Wir probieren es!

Alle vier Folgen der „Rocko Schamoni Supershow“ mit den Gästen Klaas Heufer-Umlauf, Joy Denalane Linda, Zervakis und Charly Hübner stehen in der Mediathek zum Abruf bereit.