Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann besser bleiben lassen sollte. Dinge, die er einfach nicht ablehnen kann. Unser Autor ging mit gutem Beispiel voran und ließ sich beim Wingwalking in England auf einen Doppeldecker schnallen

Aus dummen Entscheidungen entstehen oft die besten Geschichten. Pilot David lässt den Motor an, presst den Gashebel, der Rotor dreht sich in Rage und pustet meinen letzten Rest Selbstsicherheit weg. Wir nehmen Fahrt auf, und der Wind bläst mir das Einstecktuch aus dem Jackett.

Jetzt weiß ich: Dieser Rundflug mit einem Doppeldecker ist vielleicht nicht die dümmste Idee, die ich jemals hatte. Aber die dümmste, die ich jemals in die Tat umgesetzt habe... mal abgesehen von dieser Sache mit den Feuerwerkskörpern und dem Koi-Teich. Andere Geschichte.

Credit: Jens Goerlich for Playboy Deutschland

Die notausgänge befinden sich unter ihren füßen

Noch fühlt es sich an, als würden wir mit einem getunten Traktor den gepflegten britischen Rasen pflügen: geisteskrank, aber angenehm. Dann zeigen plötzlich die Schnauze des Flugzeugs und meine steil gen Himmel. Abflug! Und die Landschaft unter mir schnurrt zur Landkarte zusammen. Dafür weiten sich meine Eingeweide. Mein Mund, mein Hals, mein Magen werden vollgepumpt mit eiskalter Druckluft. Bäuerchen. Hört und sieht ja keiner. Ist überhaupt ganz schön hier oben. Nur ich und die Luft.

Die Wiesen um Cirencester sind jetzt nur noch grüne Quadrate, die Schafe nur noch weiße Punkte. Sonnenstrahlen brechen durch gewittrig schwarze Wolken. Ein Turner-Gemälde. Eine Rosamunde-Pilcher-Idylle – durch die allerdings gerade ein knallorangefarbener Doppeldecker brettert, auf dem ein schlaksiger Kerl versucht, seine flatternden Arme unter Kontrolle zu bringen.

Ich kann mich zwar nicht sehen, aber ich bin fühlbar nicht das Einzige, was das Landschaftsgemälde ad absurdum führt. Je höher wir steigen, desto schneller werden wir. Je schneller wir werden, desto tosender wird der Lärm. Haben Sie mal versucht, auf der Autobahn in voller Fahrt aus dem Fenster zu klettern und einen Reifen zu wechseln? Ist auch besser so. Aber das ist in etwa das Gefühl. David setzt zum Sturzflug an. Der Boden rast auf mich zu.

Ein paar Kleinigkeiten, die mich vor dem Flug hätten stutzig machen müssen: Erstens ist das Flugzeug keine gemütliche Ausflugs-, sondern eine hochgezüchtete Show-Maschine. Zweitens ist der Pilot David Barrell kein Sonntagsflieger, sondern schwärmt von Loopings vor großem Publikum und hat über 700 Vorführungen hinter sich. Drittens: Ich sitze nicht in, sondern auf der Maschine. An ein Stahlgestell geschnallt. Wie Hannibal Lecter in der Klapsmühle. Dort gehören wir eigentlich alle hin: die gesamte Wingwalker-Flugstaffel und ich. Der einzige Vorteil am Brexit: Die Fluggastbeförderungsgesetze in Großbritannien können sehr frei ausgelegt werden.

Runter kommt man immer. Irgendwie.

Wenn das Breitling Wingwalkers-Team von AeroSuperBatics nicht gerade lebensmüde Reporter spazieren fliegt, tourt es um die Welt. Dubai, China, die USA – Deutschland eher weniger. Seit der Tragödie von Ramstein 1988 ist man bei uns zu Lande etwas empfindlich gegenüber Flugakrobatik geworden. Mit Vintage-Doppeldeckern im Stil der 40er- und 50er-Jahre zeigen die Piloten um Chef-Flieger Martyn Carrington Manöver, über die einige Jet-Kapitäne nur den Kopf schütteln. Loopings, Seitwärtsrollen – oder den „Mirror“: Ein Flugzeug dreht sich auf den Kopf, das zweite fliegt etwa zwei Meter darunter und „spiegelt“ die Bewegungen der Leitmaschine. Ja, ziemlich spektakulär. Das Highlight sind aber die Wingwalkerinnen. Sie klettern während des Flugs auf die Tragflächen, tanzen Luftballett bei 300 km/h – und wirken grazil wie Falken auf Raubzug. Ich wirke dagegen wie ein Grashüpfer im Windkanal.


Besonders beim ersten Looping. Den Sound kennen Sie aus Filmen: Der Motor kreischt. Tiefflieger-Angriff. Doch hier folgt kein stotterndes Maschinengewehr. Viel schlimmer: David reißt die Maschine wieder steil empor. Sie verliert an Leistung, das Dröhnen wird zum Röcheln. Ich warte darauf, dass das Ding komplett aussetzt. Schlechte Ausgangsposition. Über mir: meine Füße. Unter mir: 800 Meter freier Fall. Wenigstens läuft die GoPro.

Normalerweise gibt es immer jemanden, der einem Schnapsideen ausredet. Familie, Freunde, Pfarrer. Beim Playboy ist es andersherum. Ab jetzt schreibe ich nur noch für „Horse & Hound“. Selbstschutz. Denn der Flug, bei dem ich mich vollsabbere wie eine tollwütige Bulldogge, ist das eine. Die Sicherheitseinweisung davor war das andere. Emily Guilding, professionelle Tragflächentänzerin, blonde Mähne, schwarzer Catsuit, lovely accent, erklärt mir den „case of emergency“ – die einzige Parallele zu einem Linienflug: Ich höre nicht zu, sondern starre sie an. Sie gurtet mich fest. Uh! Die Anschnallung ist auf die weibliche Anatomie ausgelegt.

„Sitzt du bequem?“, fragt Emily grinsend. „Ja. Könnte ich bitte einen Tomatensaft haben?“, presse ich hervor. Schmerzhafter Ruck. Familienplanung auf Eis. Emily lacht. „So, jetzt sitzt der Gurt wirklich fest“, sagt sie, wünscht mir eine harte Landung, klettert vom Flieger und wirft mir noch zu: „Keine Sorge – runter kommt man immer! Irgendwie.“

He's so fly: Playboy-Versuchshase Sebastian R. Tromm feiert seine Höhenflüge – folgen Sie ihm dabei auf Instagram: @trommtromm