Zum Tod von Gunter Gabriel – ein Abschiedsbrief

Credit: Playboy Deutschland

Lieber Gunter,

Du hast mich wirklich oft überrascht und emotional ganz ordentlich mitgenommen. Schon bei unserem ersten Treffen. Damals hattest Du Dir an der Stahldecke Deines neu bezogenen Hausbootes eine blutige Kopfschramme geholt und pinkeltest über die Reling in den Hamburger Hafen. Danach hast Du mir Dein Leben erzählt. Stundenlang. Es war eine Achterbahnfahrt, fühlte sich an wie Sekunden. Hast Gitarre gespielt. Und mir vorgespielt, wie es war, wenn Du bei Deinem Freund und Vorbild Johnny Cash und dessen Ehefrau bei Tisch beten musstest. Und wie es war, als niemand für Dich gebetet hat: Dein Absturz, Deine Jahre im Wohnwagen an der Autobahn. Runter von den großen Bühnen, auf denen Du der deutsche Cash warst. Und wie Du Dich da wieder heraufgekämpft hast, zurück ins Rampenlicht.

Wer immer sich Sorgen um Dich machte – und die machte man sich schnell um Dich, lieber Gunter, weil Du die Extreme gelebt und geliebt hast –, für den hattest Du einen beruhigenden Spruch parat: „Life goes on – wir sehen uns!“ So endeten viele Deiner SMS. Auch als Du vor ein paar Jahren im Krankenhaus lagst. Du schriebst, es sei das Herz, wolltest aber bitte keine erschrockene Anteilnahme – nur ein paar Playboy-Hefte: „Gib Gas, mein Freund! Wir sehen uns!“

Zuletzt sahen wir uns vergangenen November in einer Münchner Kneipe. Du trankst Wein, ich Bier. Du bedecktest zur Begrüßung mit Deiner riesigen Rechten das Dekolleté der Wirtin und riefst in den Raum: „Renate! Ich kann da gar nicht hingucken!“ Wo immer Du hinkamst, hattest Du die Herzen auf Deiner Seite – auch die der Leute, die den Kopf geschüttelt haben und nicht mitlachen wollten. Du spieltest halt in Deiner eigenen Liga, nach Deinen Regeln, und weil keiner die ändern konnte, hat sich jeder drauf eingelassen. Und zwar gern, weil Du ein großherziger Gewinner und Gastgeber warst.

Du konntest die halbe Nation vor den Kopf stoßen, und die ganze Nation hat Dir trotzdem zugewinkt und zugehört. Ich hab Tränen gelacht mit Dir, auch in Momenten, in denen Du nicht mitgelacht hast, weil Du schon wieder weiter warst auf Deiner weltumspannenden Country-Trucker-Gedankenautobahn. "Er ist ein Kerl (Der 30 Tonner Diesel)": So hieß Dein Hit in den 70ern. Der machte Dich stolz. Da war ich noch ein Kleinkind. „Er ist ein eigenes Land“: So lautet angeblich ein Satz, den eine Deiner Töchter mal über Dich gesagt hat. Der machte Dich noch viel mehr stolz. Und nachdenklich. Und ich glaube, besser kann man es wirklich nicht sagen. Lieber Gunter: Du bist ein eigenes Land. Wo immer das jetzt auch sein mag.

Du bist auf einer Treppe gestolpert und hast Dir dreifach den ersten Halswirbel gebrochen. Das kann jedem passieren, nicht erst mit 75. Aber hätte ich gewusst, dass Dir das so bald passieren würde, hätte ich mich anders als mit einem lapidaren „Bis bald!“ von Dir verabschiedet an unserem letzten Kneipenabend im November. Das wollte ich Dir nur sagen. Die Nachricht von Deinem Tod hat mich heute heftig überrascht und mitgenommen. Wir sehen uns!

"In der Anstalt war ich der Gesündeste von allen"

Hier geht's zum Playboy-Interview mit Gunter Gabriel aus dem Jahre 2011