Schottisch Rasen – Zusammen mit Walter Röhrl testen wir den neuen Porsche GT4

Auf dem hügeligen Knockhill Circuit in Schottland treten wir mit Rallyefahrer Walter Röhrl das Gaspedal des neuen Porsche 718 Cayman GT4 durch. Ein ultimativer Racer zu einem echten Schottenpreis

Der schottische Knockhill Circuit ist so etwas wie eine kleine Nordschleife. Über 60 Höhenmeter liegen zwischen dem untersten und dem obersten Punkt der Rennstrecke, viele Kurven erreicht man nur im Blindflug – ohne zu wissen, was einen hinter dem nächsten Hügel erwartet. Allerdings ist Knockhill deutlich kürzer als die 21 Kilometer des Nürburgrings, schon nach zwei Kilometern ist man wieder am Ausgangspunkt. Damit lässt sich auf der Zielgeraden gerade mal die 200-km/h-Grenze knacken. Zumindest wenn man mit Porsches neuem 718 Cayman GT4 unterwegs ist: dank agilem Mittelmotor genau das richtige Auto für einen Parcours, der sonst als Highlight-Rund für die britische Superbike-Meisterschaft dient.

Schon vor dem Einsteigen fällt die neue Bugspoilerlippe vorn auf. Hinten unterscheidet sich der GT4 vom normalen Cayman durch den fest verbauten Heckflügel sowie den Diffusor am unteren Teil der Abgasanlage. Alles aerodynamische Maßnahmen, mit denen man den Anpressdruck am Heck auf insgesamt 122 Kilogramm steigern konnte. Bei gleichem Luftwiderstand wohlgemerkt. Dadurch und natürlich auch aufgrund der zusätzlichen 35 PS bewältigt der neue GT4 die Nordschleife in 7:28 Minuten – zwölf Sekunden schneller als sein Vorgänger.

Im Innenraum fällt neben dem vielen Alcantara-Leder und den Schlaufen, die aus Gewichtsgründen anstelle von Türgriffen verbaut wurden, vor allem eine Sache auf: der Schaltknüppel. Während Fahrzeuge wie der GT2 RS oder GT3 RS nur noch mit automatischem Doppelkupplungsgetriebe (PDK) ausgeliefert werden, geht man beim GT4 genau den umgekehrten Weg. Das Fahrzeug wird zunächst nur mit manuellem 6-Gang-Schaltgetriebe ausgeliefert. Erst im Verlauf des nächsten Jahres wird ein PDK optional erhältlich sein. Zugegeben, die Handschaltung kostet ein paar Zehntelsekunden bei der Beschleunigung auf 100 km/h (der Wert liegt aktuell bei 4,4 Sekunden), bedeutet aber gleichzeitig ungemein mehr Fahrspaß und ein direkteres Fahrgefühl. Um ungeübtere Fahrer damit nicht zu verprellen, spendierte man dem Wagen als Ausgleich eine automatische Zwischengasfunktion.

Auf dem Knockhill Circuit fährt man ohnehin die meisten Kurven im dritten Gang, nur bei der letzten Spitzkehre vor der Zielgeraden muss ich kurz in den zweiten gehen, um dann auf der Zielgeraden im vierten Gang knapp an die 200 km/h zu kratzen. Jedes Mal ab circa 4000 Umdrehungen hört man dabei den neuen 4-Liter-Boxermotor laut aufbrüllen. Denn im Gegensatz zum normalen 718 Cayman oder Boxster wird der GT4 nicht von einem 4-Zylinder-Turbo angetrieben, sondern von einem frei saugenden Sechszylinder. Das Aggregat basiert auf den aktuellen Turbotriebwerken der 911-Carrera-Baureihe, aber eben ohne Turbolader. Damit rufen die Zuffenhausener Ingenieure eine Leistung von 420 PS ab, bei einem maximalen Drehmoment von ebenfalls 420 Newtonmetern. Bei 8000 Umdrehungen im sechsten Gang erreicht man so eine Höchstgeschwindigkeit von 304 km/h – womit der neue GT4 der Erste seiner Art ist, der die magische 300er-Grenze überschreitet. Um mein persönliches Walter-Röhrl-Feeling noch etwas zu steigern, schalte ich die Traktionskontrolle aus. Diese lässt sich in zwei Stufen schrittweise deaktivieren. Mit einem hecklastigen 911er würde mir jetzt vermutlich das Hinterteil ausbrechen, doch der GT4 lässt sich dank der ausgeglichenen Gewichtsverteilung eines Mittelmotors nach wie vor gut kontrollieren.

Apropos Walter Röhrl: Nachdem ich meine Testfahrt beendet habe, kommt in der Boxengasse die Legende höchstpersönlich auf mich zu. Auf meine Frage, ob er mir die Ehre geben würde, lächelt er nur und steigt kommentarlos hinters Steuer von einem der Testwagen. Ohne große Aufwärmrunde drückt er das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Nur mit viel Mühe schaffe ich es, mich so im Beifahrersitz zu verkeilen, dass ich nicht dauernd zwischen Fensterscheibe und Mittelkonsole hin- und herfliege. Während Röhrl gleichzeitig mit der einen Hand das Lenkrad dreht und mit der anderen die Gänge im Akkord von oben nach unten und von unten nach oben schaltet, sagt er ganz nebenbei: „Der neue GT4 fährt sich unheimlich einfach. Selbst wenn man über die Curbs am Farbbahnrand fährt: Der Wagen bleibt dermaßen stabil, da brauche ich im Grunde gar nichts zu korrigieren.“ Ohne meine Verkeilung zu lösen, entgegne ich: „Man muss also nicht Walter Röhrl heißen, um dieses Fahrzeug im Griff zu haben?“ Seine Antwort: „Nein. Absolut nicht.“ Und driftet mit knapp 100 km/h in die nächste Kurve, als ob es das Natürlichste der Welt wäre. Wer es ihm nachmachen will, muss sich jedoch beeilen. Zwar ist der GT4 an sich nicht limitiert, durch die Begrenzung des Produktionszeitraums bis Ende 2021 allerdings wird es trotzdem keine hohe Stückzahl geben. Die erste Charge für 2019 ist angeblich schon ausverkauft.

Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.

 

Porsche 718 Cayman GT4

Geschwindigkeit
304 km/h 

Leistung (System)
420 PS

Drehmoment
420 NM

0–100 km/h
4,4 Sekunden

Hubraum
3995 ccm 

Gewicht
1420 kg

Preis
96.206 Euro