"Ich kann sehr gut jemanden spielen, der richtig scharf schießt"

Liam Neeson schießt wieder scharf: Im neuen Thiller "The Marksman – Der Scharfschütze"
Credit: IMAGO / Prod.DB
Playboy Ausgabe 09/2021 Mimi Gwozdz Cover
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Playboy 2021/09

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Im Thriller „The Marksman – Der Scharfschütze“, der seit dem 20. August auf DVD und Blu Ray erhältlich ist, kämpft der Hollywood-Star wieder mal mit vollem Einsatz gegen das Böse. Im Interview verrät Liam Neeson, der mit der Hauptolle im Filmklassiker "Schindlers Liste" berühmt wurde und sich unter anderem mit rasanten Filmen wie der "96 Hours"-Reihe als Actionheld einen Namen machte, warum ihm solche Rollen auch mit 69 noch liegen und womit die US-Politik ihn auf die Palme bringt

Mr Neeson, im Thriller „The Marksman – Der Scharfschütze“ sind Sie wie so oft der Beschützer: Diesmal retten Sie einen Jungen davor, umgebracht zu werden. Solche Rollen mögen Sie, oder?

Ja, sehr gerne! Das scheint wohl tief in meinem Charakter angelegt zu sein. Es ist für mich immer sehr befriedigend, wenn ich den Egoisten hinter mir lassen und Empathie zeigen kann. Und das natürlich nicht nur im Film, sondern auch im wirklichen Leben. Ich bin gerne für andere da.

Haben Sie etwa ein Helfersyndrom?

Nein. Aber ich bin zur Stelle, wenn man mich braucht.

Was hat Sie sonst noch an diesem Film gereizt?

Die Story. Das Drehbuch hat mich total begeistert. Der Film erzählt ja eigentlich eine Art Liebesgeschichte. Es hat mich wirklich sehr berührt, wie dieser unschuldige Waisenjunge langsam zu jenem Mann, den ich spiele, emotional durchdringt. Ich bin dieser desillusionierte Ex-Marine und bald Ex-Farmer, dessen Herz durch diverse Schicksalsschläge verhärtet ist. Die Schutzlosigkeit des Jungen bricht diesen Panzer langsam wieder auf. Kein Mann sollte eine Insel sein.

 

Sagt der Mann, der gerne den Einzelgänger spielt. Haben Sie sich mit dieser Rolle nicht sehr Clint Eastwood angenähert?

(Lacht) Als ich das Drehbuch las, dachte ich, das hätte durchaus ein Clint-Eastwood-Film aus den frühen 1980er-Jahren sein können. Die Story ist sehr geradlinig. Es wird nicht gequatscht, sondern gehandelt. Solche Filme liegen mir, und ich schätze sie sehr.

Und Ihr Fazit: Warum sollte man sich diesen Film anschauen?

Weil er ein spannendes Roadmovie, eine Art moderner Western und natürlich auch ein Action- Thriller ist. Und weil er bei aller Brutalität eine Menge Herz hat. Reicht das?

War Clint Eastwood eines Ihrer Vorbilder, als Sie mit der Schauspielerei anfingen?

Nein, Idole hatte ich eigentlich keine. Wenn man einen Schauspieler zu sehr bewundert, ist die Gefahr groß, dass man in die Falle tappt, ihn zu imitieren – wenn auch nur unbewusst. Dann verliert man seine ganz persönliche Eigenart. Und die ist ja schließlich das Markenzeichen.

Wirklich nie von jemandem etwas abgeschaut?

Natürlich haben mich einige Schauspieler inspiriert. Da ich aus Irland komme, hatte ich immer eine Schwäche für den großartigen Richard Harris.

„Ich mir meine Kräfte mittlerweile schon einteilen“

Sie werden nächstes Jahr 70. Und sind immer noch gut als Action-Held unterwegs. Überrascht Sie das nicht selbst?

(Lacht) Wenn ich solche Rollen angeboten bekomme, frage ich meinen Agenten immer: „Wissen die, wie alt ich bin?“ Und er: „Klar wissen die das!“ Solange ich körperlich noch so fit bin, spiele ich gerne ab und zu den Action-Helden.

Zur Vorbereitung geht es also in den Kraftraum?

Schon lange nicht mehr. Stundenlanges Work-out? Ich kann mich beherrschen! Beim Drehen ist alles eine Frage der Konzentration. Da bin ich voll da und liefere. Allerdings muss ich mir meine Kräfte mittlerweile schon einteilen.

Geht das überhaupt? Zum Beispiel bei Nahkampf-Sequenzen?

Gute Frage. Erst unlängst habe ich mich mit einem jungen Schauspieler vor der Kamera geprügelt. Mitten im Faustkampf war ich schweißüberströmt und musste nach Luft schnappen. Mein Gegenüber hat das Tackling locker weggesteckt. Ich fragte ihn nach seinem Alter. Er sagte: „25.“ Ich sagte: „So alt ist mein ältester Sohn.“ Mein jüngerer ist übrigens 24.

Für Ihre Söhne zu sorgen war Ihnen immer wichtig. Was war das Beste, das Sie ihnen mitgegeben haben?

Ich habe versucht, aus ihnen geradlinige, aufrichtige Menschen zu machen, die mit viel Liebe und Empathie durchs Leben gehen. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen.

Und was treibt Sie persönlich an im Leben?

Die Lust zu leben. Neugierig zu bleiben – auf die Welt. Und sich einzubringen.

Zum Beispiel?

Sich politisch zu engagieren. Ich arbeite zum Beispiel für Unicef als „Botschafter des guten Willens“.

Wollten Sie diesen Film auch deswegen machen, weil er politisch ist und die dramatische Lage der Flüchtlinge an der mexikanisch-texanischen Grenze thematisiert?

Auf jeden Fall! Das beschäftigt mich schon seit langer Zeit. Jedes Mal wenn ich die TV-Nachrichten sehe, beschämt mich, mit welcher Brutalität und Herzlosigkeit die amerikanischen Behörden vor allem die mexikanischen Kinder behandeln. Es ist schrecklich, was wir diesbezüglich in den Medien sehen müssen.

Was genau meinen Sie damit?

Für die US-Behörden sind diese Flüchtlinge doch nur Nummern in irgendwelchen Statistiken. Das sind Abertausende Menschen, die ein Herz und eine Seele haben! Die aus Mexiko fliehen, weil sie dort die extrem gewalttätigen Lebensumstände nicht mehr ertragen können. Das sind Menschen in großer Not. Wie zynisch die Trump-Regierung dieses Problem behandelt hat, ist ein Skandal!

„Ich kann sehr gut jemanden spielen, der scharf schießt“

Glauben Sie, dass sich deren Situation nach Trump wesentlich verbessern wird?

Ich hoffe es. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber die US-Behörden haben die Spur von 495 Kindern verloren. 495 Kinder! Spurlos verschwunden. Man weiß nicht, wo sie sind. Ob sie noch leben. Und die Anzahl der Menschen, die für viele Dollars von Schleppern über die Grenzen in die USA eingeschleust werden, geht in die Tausende. Oft überleben sie diese unmenschliche Prozedur nicht.

Haben Sie einen Verdacht, was mit den Kindern passiert sein könnte?

Ich kann nur hoffen, dass diese Kinder nicht dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind.

Lassen wir uns auch deshalb so gerne entertainen, um uns von solchen Tragödien abzulenken?

Ja, und warum auch nicht? Das ist ja nichts Schlechtes. Dadurch kann man doch entspannen und neue Kraft sammeln. Nur sollte man darüber nicht die Realität verdrängen. Sondern, wenn nötig, auch Verantwortung übernehmen.

Eine ketzerische Frage zum Schluss: Besitzen Sie eine Schusswaffe?

Nein.

Können Sie überhaupt schießen?

(Lacht) Es geht so. Was ich allerdings sehr gut kann: jemanden spielen, der richtig scharf schießt.