Leserbrief: "Lieber Playboy..."

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Seit nunmehr 42 Jahren ist unser Leser Frank R. dem Playboy treu. Zu diesem Anlass hat er uns einen Brief geschrieben, in dem er uns von seiner innigen Beziehung zum Magazin erzählt -  von Höhen und Tiefen und guten, wie schlechten Zeiten. Aber immer aufregend und "besonders". Welche Beziehung haben Sie zu Playboy? Schreiben Sie uns!

Liebes amerikanisches Herrenmagazin,
 

eigentlich müsste ich "deutscher Bruder" schreiben. Wir kennen uns jetzt schon seit einigen Jahren und haben, wie in jeder Freundschaft, eine wechselhafte Beziehung zueinander. Ich hab dich zwischendurch immer mal wieder für Jahre aus den Augen verloren und dann hast du es doch irgendwie wieder geschafft, meine Aufmerksamkeit auf dich zu lenken. Ich weiß noch, wie ich dich zum ersten Mal in den Händen gehalten habe. Zwar hab ich dich schon vorher gesehen und du warst für mich der Inbegriff einer verbotenen Frucht, aber in dem Alter, in dem ich war, hätte ich dich nie kaufen können. Und dann kam der besagte Tag im Jahr 1978. Du warst 25 und ich 13. Das war so die Zeit als ich feststellte: Ok, Mädchen können zwar nicht Fußballspielen und interessieren sich auch nicht für Geschichte (zu dem Zeitpunkt bekam ich meine ersten Geschichtswälzer), aber macht ja nichts. Ihre unterschiedliche Anatomie wurde für mich immer interessanter.

Da traf es sich, dass es in der Nachbarschaft einen Freund gab, der Zugang zu dir hatte. Mein Kumpel mopste seinem Vater gern die neuesten Exemplare und teilte mir wichtige Fakten über CB-Funk mit. Tja, aber nur darüber zu hören und nichts zu sehen war auf die Dauer schon öde. Allerdings erzählte mein Freund mir sofort, dass er hauptsächlich die Reportagen und Interviews lesen würde. Und im Zusammenhang mit deinem Inhalt bekomme ich diese Aussage auch heutzutage immer wieder zu hören.

Ich brachte den Freund also dazu, dich in einer Plastiktüte zu verpacken und mir an einem verschwiegenen Ort zu übergeben. Und so hielt ich dich zum ersten Mal in meinen Händen – meine verbotene Frucht! Aber ich sollte nicht lange Freude an dir haben. Ich hatte die Rechnung ohne den Webrahmen, der Waldorfschule und meiner Mutter gemacht. Und das kam so:

Meine große Schwester hatte wohl Mitte der sechziger Jahre einen Webrahmen geschenkt bekommen. Allerdings hielt sich ihre Begeisterung für dieses Geschenk in Grenzen. Solange ich denken konnte, lag dieser Rahmen wohl verpackt immer auf einem Schrank. Zu dem Zeitpunkt war mein Kleiderschrank als Aufbewahrungsort auserkoren. Kein Mensch hatte sich seit Jahren um das Handwerksgerät gekümmert – für mich das ideale Versteck für die verbotene hüllenlose Intellektuellenlektüre! Jetzt wollte es der Zufall, dass zu dem gleichen Zeitpunkt eine Waldorflehrerin bei uns im Haus wohnte. Und irgendwie hatte meine Mutter es geschafft, das Interesse der Frau auf den Webrahmen zu lenken. Ich weiß nicht wie, aber irgendwann kam sie in mein Zimmer und sagte, dass sich die Waldorflehrerin mal den Webrahmen anschauen wollte. Mir wurde sofort heiß und kalt, ich wurde hochrot und versuchte vor meiner Mutter den Webrahmen vom Schrank zu holen und dich irgendwie verschwinden zu lassen ... ohne Erfolg! Wortlos blätterte sie dich durch und dann brach ein Donnerwetter über mich herein. Ja, was dich betraf, war meine Mutter in den 70er Jahren nicht ganz so liberal.

Glücklicherweise durfte ich dich deinem Besitzer noch zurückbringen. Das wäre mir sonst wie der Gipfel der Peinlichkeit vorgekommen. Danach herrschte erst mal Funkstille zwischen uns beiden und ich konnte dich nur sehen, wenn ich dich in der Auslage eines Kiosk entdeckte. Erst als ich als Austauschschüler ein Jahr in den Staaten verbrachte, lernte ich deinen amerikanischen Bruder kennen. Und ich kann dir sagen, deine Bruder ist ein bisschen zeigefreudiger als du.

Auch während meiner vierjährigen Bundeswehrzeit warst du dabei. Deine Poster zierten nicht nur meinen Spind, sondern auch die Wand hinter meinem Bett. Aber es waren die 80er und manche Vorgesetzten waren von deiner Anwesenheit nicht begeistert. Wenn heutzutage dein Logo BW-Waffensysteme ziert, zeigt das schon eine Veränderung. An meinem ersten Stationierungsort verbot der Bataillonskommandeur dein Logo an den Panzern und am zweiten Standort musste ich alle deine Poster abnehmen, als Kompanieüberprüfung war. Tja, …

In den Neunzigern gab es eine Zeit, in der ich dich recht intensiv gelesen habe. Da hab ich mich dann auch ganz klar zu dir bekannt. Und da kam es dann wieder: Man lese „diese Zeitschrift“ hauptsächlich wegen der guten Reportagen, Testberichte und Interviews. Äh, … , ja, äh, … genau!

Mir ist eine Geschichte aus den 90ern noch gut in Erinnerung: Von meiner damaligen Freundin bekam ich zum Geburtstag eine Ausgabe von dir geschenkt. In der Praxis, in der wir damals gemeinsam arbeiteten, vor allen KollegInnen. Gekauft in dem Kiosk neben der Praxis, in dem ich meine Zigaretten holte. Als ich dich auspackte, war ich sprachlos und es war mir ein bisschen peinlich, dich vor allen Anwesenden hervorzuholen. (Frage mich nicht warum - ich kann es dir nicht mehr sagen!) Was mich aber überraschte: Gerade alle anwesenden Damen sagten: „Ach, wie toll!“ und „Den wollte ich mir auch immer mal holen!“ und „Von der Freundin geschenkt? Das ist ja lieb!“ Und mir schoss das Rot ins Gesicht …

Und dann kamen die 2000er. Ich hatte angefangen zu fotografieren. Ich fotografierte alles. Nichts war vor mir sicher. Bäume, Hydranten, Wasserpfützen. Und dann versuchte ich Bilder zu komponieren und arbeitete an Composings. Ich schielte auch immer wieder auf das, was du präsentiertest. Also musste ich Menschen fotografieren. Das tat ich dann. Ebenso Akt. So entstanden einige gute Bilder – leider auch eine Menge Mist. Aber du hast mich angespornt!

Inzwischen bin ich bei Ausgabe 09/2020 gelandet und bin ich bisschen von mir selbst überrascht. Tatsächlich hab ich mir die Ausgabe wegen der Doppelseite über Charles Bukowski geholt. Mit dem Schriftsteller verbindet mich inzwischen eine Art Hass-Liebe und ich dachte, du hättest vielleicht etwas Neues ausgegraben. Leider nicht. Aber ganz ehrlich: Das stell ich mir bei Bukowski inzwischen schwierig vor. Also, nichts für Ungut.

Aber mir sind dann doch Dinge aufgefallen: Nichts gegen die Dame, die du auf Seite 13 für die Werbung des Kalender deines Fotografen ausgewählt hast, aber man sieht, dass sie den Bauch einzieht. Eine andere Pose und die Werbung wäre in meinen Augen gelungener. Ford Mustang ist cool. Ob neu, ob alt. Das wäre genau mein Ding. Aber 450 PS? Da kann man ja froh sein, dass man in Deutschland wohnt, wo es immer noch Autobahnen ohne Tempolimits gibt oder zumindest Teilstrecken. Oder man muss auf eine private Teststrecke. Aber 450 PS? Ich wäre schon mit 300 PS weniger zufrieden.

Dann hast du über den Ferrari SF90 STRADALE berichtet, ein Plug-in-Hybrid mit 1000 PS Motor. Tja, die Bilder hab ich mir angeschaut und festgestellt: Spätestens beim Preis ist das nichts mehr für mich. Ich hätte eine Bitte: Ich weiß nicht, wann du das letzte Mal über Elektrosportwagen berichtet hast, aber das wäre höchst interessant. Porsche, BMW, Tesla – da tut sich was!

Jaaa, und dann bin ich über deinen Rezeptvorschlag gestolpert: Italienische Sommer-Pasta! „Garganelli con Ragù Bianco di Vitello“. Das wollte ich ausprobieren. Das ist bestimmt klasse, dachte ich und so außergewöhnlich fand ich die Zutaten nun auch nicht. Leider sahen das drei hiesige Einkaufszentren nicht so. Ich scheiterte an den Nudeln (Pasta Garganelli) und dem Kalbshackfleisch. Tenor der Einkaufszentren: Das haben wir nur, wenn wir Rinderwoche haben! Darauf wollte ich nicht warten. Ich nahm Penne Rigate und anstelle des Kalbshackfleischs Rinderhack. Das Ergebnis war gelinde gesagt grausam und furztrocken! Nun spare ich gerade auf das erwähnte Kochbuch des Meisters. Vielleicht hilft mir das ja, solchen Fallstricken demnächst zu entgehen.

Aber ich will ja nicht nur meckern: Ich musste feststellen, dass ich inzwischen auch zu der Gruppe von Lesern gehöre, die dich gerne wegen der Interviews und Reportagen lesen. Gerade die Interviews mit Matthias Schweighöfer und Chris Pine fand ich großartig. Und jetzt noch ein Kompliment zu den nackten Fakten: Erst mal hab ich als Hobbyfotograf festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, einen nackten Körper in Szene zu setzen. Von daher „Hut ab“ vor allen Beteiligten an einem deiner Shootings. Das ist wirklich harte Arbeit! Außerdem habe ich festgestellt, dass dein Retusche-Wahn sehr nachgelassen hat und das freut mich. Es gab Zeiten, da waren deine Fotos nicht zum Anschauen, weil deinen BildbearbeiterInnen das Stifttablett durchgegangen ist. Das war nicht schön! Das hat scheinbar nachgelassen und das empfinde ich als positiv. So konnte ich in der letzten Ausgabe, die ich mir kaufte, die Aufnahmen wirklich genießen.
 
Wir haben jetzt unser 42tes Jubiläum gefeiert. Wir haben uns beide verändert. Ist nicht schlimm. Ich komme immer wieder gern auf dich zurück, wenn ich mich mal „besonders“ entspannen will. Und das will ich nicht missen. Ich freu mich auf die nächsten 42 Jahre!
 
Dein Frank