„Wenn der Zirkus in der Stadt war, habe ich im Elefantenzelt geschlafen“

Schauspieler Heino Ferch spricht in der Januar-Ausgabe des Playboy über seine Zirkus-Leidenschaft
Credit: Stephan Pick-ROBA PRESS
Magazin
Playboy 2022/01

Inhalt

UPDATE

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REPORTAGE

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MOTOR & TECHNIK

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TITELSTRECKE

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EROTIK

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STIL

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GESCHENKE-SPECIAL

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LUST & LEBENSART

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KULTUR

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Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats

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Wenn der Schauspiel-Star etwas sagen möchte, genügt dafür gewöhnlich ein Blick. In unserer Januar-Ausgabe schenkte der 58-Jährige, der meist in ernsteren Rollen zu sehen ist, trotzdem ein paar Worte: über seinen neuen TV-Dreiteiler „Der Palast“, dessen dritter Teil heute um 20.15 Uhr im ZDF läuft, Vaterqualitäten, seine Leidenschaft für spektakuläre Zirkusnummern und Cowboy-Aufgaben.

Herr Ferch, „Der Palast“ spielt im Ostberlin des Jahres 1988. Sie selbst lebten damals als junger Schauspieler in Westberlin. Waren Sie manchmal drüben?

Ich war oft drüben. Eine Schwester meines Vaters wohnte mit ihrer Familie an der Ostsee, deshalb war ich schon in meiner Jugend jedes Jahr in der DDR. Das war ein reger Austausch: Wir fuhren mit Wrangler-Jeans und Fruit-of-the-Loom-T-Shirts hin und kamen mit Christstollen wieder zurück.

Haben Sie auch etwas von dem Druck mitbekommen, dem die Menschen dort ausgesetzt waren?

Natürlich. Als ich mich in Ostberlin mit meiner Cousine getroffen habe, die später über Ungarn geflohen ist, habe ich auf der anderen Straßenseite die Jungs von der Stasi im Auto sitzen sehen, weil sie unter Beobachtung stand. Ich war übrigens auch tatsächlich schon zu Ostzeiten im Friedrichstadtpalast.

Wie erinnern Sie sich daran?

Das war eine etwas altmodische Fernsehballett-Revue. Nicht ganz auf der Höhe der Zeit, aber trotzdem, Westberlin hatte das nicht! Der Friedrichstadtpalast war das größte Revuetheater Europas, so etwas gab es nur in Paris in ähnlicher Form: diese Chorus-Line aus 40 Frauen, die alle gleich aussahen, die gleiche Körbchengröße hatten und die gleiche Beinlänge – denn das war Bedingung. Das war kein Theater, wie ich es kannte, das war Unterhaltung. Und ein großer Abend für alle, die Karten hatten an diesem Abend in der Friedrichstraße.

„Ich habe ganze Sonntagnachmittage mit amerikanischen Schwarz-Weiß-Filmen und Stepptanz verbracht“

Sie selbst sind eher für ernsthaftere Film- und Fernsehrollen bekannt. Haben Sie trotzdem so ein Entertainment-Gen? Wünschen Sie sich manchmal, lieber abends in einer Revue-Show aufzutreten, als morgens zum Set zu fahren?

Oh ja, ich bin mit Gene Kelly, Fred Astaire und Burt Lancaster aufgewachsen. „Der rote Korsar“ ist mein absoluter Lieblingsfilm. Ich habe ganze Sonntagnachmittage mit amerikanischen Schwarz-Weiß-Filmen und Stepptanz verbracht. „Singin’ In The Rain“ habe ich geliebt! Das wäre toll gewesen, wenn es das für mich gegeben hätte.

Sie hatten bei „Stars in der Manege“ immerhin ein paar Zirkusauftritte.

Ja, auch eine große Leidenschaft. Ich bin als Kind immer sofort hingerannt, wenn der Zirkus in der Stadt war, habe den Trapezkünstlern beim Aufbauen geholfen und im Elefantenzelt geschlafen.

„Meine Auftritte bei „Stars in der Manege“ später waren für mich die großartigsten Abende überhaupt“

Im übertragenen Sinne oder tatsächlich?

Nee, wirklich.

Einfach abends den Eltern Bescheid gesagt, ich schlafe heute bei den Elefanten?

Ich war ja Turner damals und hatte diese artistische Leidenschaft. Deshalb stand ich da als 12-, 13-jähriger Knirps mit glühenden Augen, habe mich mit den Leuten angefreundet, ein bisschen geholfen und wollte abends nicht weg. Dann habe ich in einer Ecke im Zelt übernachtet und am nächsten Morgen gleich weitergemacht. Meine Auftritte bei „Stars in der Manege“ später waren für mich die großartigsten Abende überhaupt.

Toller als all Ihre Film- und Fernsehrollen?

Absolut.

Gibt es so etwas wie die Zirkusnummer Ihrer Träume? Etwas, das Sie unbedingt gerne noch machen würden?

Weiß ich nicht. Bei meinen bisherigen Nummern habe ich Sachen ausgewählt, die ich mir zugetraut habe, die aber immer klassische Zirkusnummern waren, das war mir wichtig: eine Hochseilnummer, eine Bodenakrobatik, und als Letztes bin ich die „ungarische Post“ geritten. Da stehst du auf zwei Pferden, und unter deinen Beinen galoppiert ein weiteres hindurch. Das geht dann so weiter, bis du irgendwann ganz viele Pferde vor dir hast, die du an einer Longe führst, sechs waren es bei mir. Also, das ist wirklich eine schwere Frage, was ich noch gerne vorbereiten würde. Eine Trapeznummer vielleicht.

Als Fänger oder Flieger?

Flieger sein ist natürlich geiler, der macht die tolleren Sachen und bekommt mehr Applaus. Ist aber, glaube ich, auch schwerer. Und man muss leicht dafür sein, also wäre ich wahrscheinlich eher der Fänger.

Am 3., 4. und 5. Januar, jeweils um 20.15 Uhr, ist er im ZDF-Dreiteiler „Der Palast“ zu sehen, hier an der Seite von Schauspielkollegin Inka Friedrich
Credit: ZDF

Um noch einmal auf den Fernseh- Dreiteiler „Der Palast“ zurückzukommen: Sie spielen darin einen Vater, der sich dazu entschließt, eine seiner Zwillingstöchter mit sich in den Westen zu nehmen, während die andere bei der Mutter in Ostberlin bleibt. Können Sie diesen Schritt nachvollziehen? Für die Freiheit der einen Tochter die andere nicht aufwachsen zu sehen?

Na ja, diese Flucht ist ja ein Schritt aus Verzweiflung. Noch während der Fahrt merkt er, dass das eine Scheißidee war, seine Frau auf diese Weise zwingen zu wollen nachzukommen. Aber dann ist es schon zu spät, weil sie bereits den Stacheldraht ausrollen und ausgerechnet in dieser Nacht Berlin geteilt wird. Ich muss sagen, ich verstehe meine Figur in ihrem Handeln. Dass er in diesen Tagen kurz vor der Abriegelung denkt, es muss jetzt etwas passieren, wir müssen hier weg. Aber ich würde diesen Schritt nicht gehen.

„Meine Trainer waren ganz bestimmt eine Art Vaterersatz für mich“

Sie selbst kennen die Situation, als Kind über längere Zeit den eigenen Vater zu entbehren, gut. Als Kapitän war er oft monatelang nicht zu Hause. Sucht man sich dann andere Vaterfiguren? Oder ist da einfach ein Loch, das niemand füllen kann?

Ich habe ja schon relativ früh viel Sport gemacht und war jeden Tag in der Turnhalle. Meine Trainer waren ganz bestimmt eine Art Vaterersatz für mich.

Der Faktor gemeinsame Zeit – ist das überhaupt ein Kriterium, anhand dessen sich ein Vater messen lassen muss?

Wenn er es einrichten kann, ja.

Was macht für Sie sonst einen guten Vater aus?

Offenheit, Toleranz, Verantwortung übernehmen, Prioritäten setzen. Ich bin jemand, der sehr versucht, da zu sein. Am Freitag nach dem Dreh immer noch die 20.45-Uhr-Maschine zurück zu bekommen.

Sie sind gerade mit 57 noch einmal Papa geworden. Was ist da anders als mit Mitte 30 wie bei Ihrem ersten Kind?

Man ist geübt. Windeln wechseln verlernt man ja nicht.

Ist man lockerer oder ängstlicher?

Lockerer.

Seit vielen Jahren ist der 58-Jährige begeisterter Polospieler, findet aber zum Glück immer wieder den Weg ins TV
Credit: ddp Images

Wir wurden schon vorgewarnt: Über die wichtigen Menschen in Ihrem Leben sprechen Sie nicht gerne. Aber welches ist eigentlich das wichtigste Pferd in Ihrem Leben?

Ich glaube, das war mein erstes Polopferd, Pintorita.

Wie waren Sie beide zusammen?

Völlig übermotorisiert. Sie war zu schnell für meine ersten Spiele.

Kann ein Pferd auch ein Freund sein?

Es muss. Dein Freund, dein Partner.

Das Ungewöhnlichste, das Sie jemals für ein Pferd gemacht haben?

Einen Akupunkteur engagiert. Aber natürlich war ich auch schon bei Geburten dabei. Oder wenn sich ein Pferd in der Box wälzt, weil es Verdauungsprobleme hat und man Angst haben muss, dass da eine Kolik um die Ecke kommt.

„Ich streiche ich auch manchmal bei Dreharbeiten meinen Text, wenn ich das Gefühl habe, es reicht aus, wenn ich einfach dastehe und schaue“

Was ist eigentlich das kompliziertere Gefüge, wo kracht es häufiger – in einer Polomannschaft oder in einem Filmteam?

In der Polomannschaft! Weil da alle gewinnen wollen.

Gibt es nicht auch unter Schauspielern einen ständigen Wettkampf?

Aber die Kollegen sind so verschieden, dass es beim Schauspiel keinen Sinn macht, sich mit anderen zu messen. Wir werden besetzt, weil wir zu einer Rolle passen oder weil wir ein bestimmtes Publikum erreichen. Wenn ich da anfange, mich in Konkurrenz zu begeben, kommen wir ja vom Hölzchen aufs Stöckchen.

Diese reduzierte Art zu spielen, die für Sie so typisch ist – dass Sie mit Ihrem Blick Dinge erzählen, für die andere Kollegen viel Wirbel machen: Hat man das von Anfang an verstanden, oder mussten Sie sich dafür verteidigen?

Ja, auch. Aber das ist eine Entwicklung über mehrere Jahre hinweg gewesen. Und wahrscheinlich war eine besondere Schule dafür die Zusammenarbeit mit dem großartigen österreichischen Regisseur Andreas Prochaska, mit dem ich in Wien neun Teile „Spuren des Bösen“ gedreht habe. Für diese Hauptrolle haben wir immer weniger Worte genommen, weil er fand: „Du, da brauchst goar nix sogn. Da bleib ich drei Sekunden länger auf dir, dann is alles kloar.“ Mit ihm gemeinsam habe ich das auf die Spitze getrieben, und das gefällt mir sehr. Weil etwas, das reduziert ist, einfach viel spannender und filmischer ist. Deshalb streiche ich auch manchmal bei Dreharbeiten meinen Text, wenn ich das Gefühl habe, es reicht aus, wenn ich einfach dastehe und schaue.

Und wenn Ihnen genau das in Kritiken als schauspielerisches Unvermögen ausgelegt wird – trifft Sie das?

Nein, ist mir total egal.

Wie ist das überhaupt mit Kritiken: Sind die wichtig, oder kommt es nur darauf an, wie viele Leute einschalten oder ins Kino gehen?

Kluge Kritiken sind wunderbar. Besprechungen, die wirklich was zu sagen haben. Aber unterm Strich ist die Frage, wie viele zugeschaut haben, eher noch wichtiger.

Seinen großen Durchbruch als Filmschauspieler feierte Ferch (2. v. r.) 1997 mit dem Kino-Drama „Comedian Harmonists“
Credit: PR

Heino heißen – nervt das als Kind eigentlich manchmal?

Als meine Eltern diesen Namen für mich ausgewählt haben, gab es den Mann mit der Sonnenbrille ja noch nicht. Heino ist eine sehr seltene nordische Abwandlung von Heinrich, ich kenne außer mir nur zwei Leute, die so heißen. Aber natürlich habe ich das dann zu Schulzeiten immer wieder gehört: Sing doch mal! Wo ist deine Sonnenbrille? Und ist die Haselnuss wirklich schwarzbraun?

Was fehlt Ihnen als Junge vom Meer hier auf dem bayerischen Land am meisten?

Der straffe Wind von der Nordsee. Aber insgesamt ist es hier unten sehr viel saftiger und sinnlicher. Das ist schön. Ich bin nach meinem Schulabschluss ja nach Österreich zum Studieren und habe gemerkt, dass mir das sehr gefällt. Dass es da Topfenstrudel gibt und einen Schnaps und dass man, genau wie in Bayern, an einem Tisch zusammenrutscht. Im Norden überwiegt der Pragmatismus, das Spartanische. Aber das Sinnliche, Südliche ist mir näher.

Welche Arbeit auf Ihrem landwirtschaftlichen Hof ist Ihnen die liebste?

Ich mag generell, dass man sofort sieht, wenn man etwas gemacht hat. Wenn ich einen Film drehe, sehe ich den erst ein halbes Jahr später, wenn überhaupt. Dass man ein unmittelbares Ergebnis hat, das ist schön.

Zum Beispiel beim Stallausmisten?

Oder Koppelstangenrichten. Oder Streichen. All das, was eben gemacht werden muss. Mit einem großen Schlepper irgendwelche Felder abziehen oder Koppeln wieder sommerfest machen. So Cowboy-Tätigkeiten halt.

Hat eigentlich einer wie Sie auch mal eine Midlife-Crisis?

Klar, das gibt es immer wieder. Man beschäftigt sich schon mit dem Älterwerden. Ich bin keiner, der sich dann eine Harley anschafft, aber zu bestimmten Zeitpunkten im Leben fragt sich doch eigentlich jeder, was bisher passiert ist und was noch kommt. Lebe ich so, wie ich leben möchte? Bin ich glücklich, oder bin ich zufrieden? Ist zufrieden okay? Oder ist mir nicht glücklich, aber zufrieden zu wenig? Eine Art Zwischenbilanz, so wie die erste und die zweite Wertung beim Brettspiel „Alhambra“, kennen Sie das? Sagen wir, ich spiele einfach immer wieder mal „Alhambra“.