Escort-Lady Irina Le Fey:"Ich liebe es, für Menschen das zu sein, was sie begehren"

Seit 2016 ist Irina Le Fey als Escort-Dame tätig, seit 2019 betreibt sie die Escort-Agentur "Plescort"
Credit: privat
Magazin
Playboy 2021/04

Inhalt

UPDATE

First Lady: Actionheldin und Sexsymbol Megan Fox

Ein guter Monat für: Porsche- und Comedy-Fans

20 Fragen an . . . Filmstar Viggo Mortensen

Männerbar: Die besten Whiskys aus aller Welt

Wein des Monats: Weißer Merlot aus Italien

Männerküche: Japanisches Streetfood

Reise: Tipps für einen Trip nach Tokio

Die Reise meines Lebens: Autor Stephan Orth entdeckt die verboten schönen Seiten Irans

Stil: Lässige Rucksäcke für die Stadt

Motor: Cupra Leon E-Hybrid – Stromer auf spanisch

Pro & Contra: Einen Hund haben


PORTRÄT & REPORTAGE

Lothar Matthäus: Zum 60. des Weltfußballers erzählt ein Wegbegleiter aus dem „Loddar“-Leben

Der Alte-Meister-Detektiv: Wie der Niederländer Arthur Brand geraubte Kunstwerke aufspürt und sich auch in der Unterwelt einen Namen machte


INTERVIEW

Michael Bully Herbig: Der Komik-Meister über Witze früher und heute, verbotene Lachanfälle, lustige Frauen und seine neue Show „Last One Laughing“

Sebastian Vettel: Der vierfache Weltmeister will seinen nächsten Titel mit Aston Martin holen – und hat eine grüne Warnbotschaft an die Formel 1


STREITSCHRIFT

Einfach mal hinschmeißen: Eine Abrechnung mit der dämlichen Männertugend des Durchhaltens


MOTOR & TECHNIK

BMW iX3: Hat sich das Warten auf den zweiten Elektro-Bayern gelohnt? Eine Testfahrt durch München

Mein Schlitten: Sven Volk und sein Pontiac Firebird


EROTIK

Playmate: Unsere Miss April Margarita Gajewska erkundet gern fremde Länder. Und wir sie

Blende Sechs: Anna Ioannova legt ab – mit und auf einer Yacht vor der Küste Portugals


TITELSTRECKE

Die „Let’s Dance“-Schönheit Renata Lusin zeigt uns eine Kür – viel zu scharf fürs RTL-Freitagabend-Publikum ...


STIL

Mode: Coole Jacken für wärmere Tage

Uhren-Gespräch: Der Zenith-Chef Julien Tornare über Krisenzeitmesser und Sportchronographen

Pflege: Körperhaare und wie man sie loswird

Umfrage des Monats: Wie und wo sich deutsche Männer rasieren – und wie Frauen es gern mögen

Duft-Gespräch: Kino-Bösewicht Ed Skrein über den modernen und wohlriechenden Bad Boy


LUST & LEBENSART

Weg mit dem Corona-Speck: Drei Playboy-Redakteure testen drei Wege zu mehr Fitness

Escort-Lady Irina: Eine Sexarbeiterin im Gespräch über die Rotlicht-Krise und falschen Feminismus

Tagebuch einer Verführerin: Sexkolumnistin Sophie Andresky über Penisse und deren Längen


KULTUR

Sven Regener: Der Musiker und Schriftsteller findet Nachruhm nicht so wichtig und Inspiration auf einer Beerdigung

Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats


STANDARDS
  • Editorial
  • Making-of
  • Leserbriefe
  • Berater
  • Witze
  • Cartoon
  • Impressum
  • Bezugsquellen
  • Playboy Classic

Sie arbeitet als Escort-Lady, betreibt eine eigene Vermittlungsagentur, studiert Soziologie und Gender Studies und berät Berufseinsteigerinnen zum Thema Sexarbeit. Ein Gespräch mit IRINA LE FEY über die Stigmatisierung der Prostitution, falschen Feminismus und Kunden, die ihr Orgasmen verschaffen.

Auf der Suche nach einem erotischen Abenteuer haben bereits viele Männer ihre Nummer gewählt. Jetzt klingeln wir durch. Um zu reden. Wegen Corona stand das Telefon von Irina Le Fey lange Zeit still. Die Pandemie hat Sexarbeiterinnen in Deutschland hart getroffen: Arbeitsverbot, Existenznot – und viel Zeit, um grundsätzlich über den Beruf und seine heikle Stellung in unserer Gesellschaft nachzudenken.   

Frau Le Fey, was lieben Sie an Ihrem Beruf?

Die sexuelle Selbstbestimmung und die Unabhängigkeit – auch die finanzielle. Ich meine, historisch gesehen, ist Sexarbeit ja auch nur deshalb stigmatisiert, weil es sich um Frauen handelte, die sich innerhalb patriarchischer Gesellschaftsstrukturen von Männern losgelöst hatten. Eine Prostituierte war ja nicht verheiratet und nicht von einem Mann abhängig. Sie konnte sich in ihrer Sexualität ausleben – anders als die Ehefrauen. Das hat natürlich dazu geführt, dass der Beruf stigmatisiert werden musste, sonst hätte das positive Bild der Sexarbeiterin Einfluss auf das gesamte Frauenbild gehabt, und alle Frauen hätten überlegen können, ob sie der Ehe die Prostitution vorziehen.

Vielleicht nicht alle, aber welche? Was ist die wichtigste Voraussetzung für Ihren Beruf?

Wie für jeden Beruf braucht man Spaß an dem, was man tut. Dazu zählt bei der Prostitution ein gutes sexuelles Selbstbewusstsein: Man sollte wissen, was man selbst will, Lust haben aufs Begehrtwerden und ein gutes emotionales Management, sodass man die Bedürfnisse des anderen in den Vordergrund stellen kann. Ich liebe es, die Menschen glücklich zu machen, für sie das zu sein, was sie begehren. Ich mache mich quasi zur Projektionsfläche für die Fantasien des Mannes. Es ist gleichzeitig wichtig, die eigenen Grenzen klar kommunizieren und durchsetzen zu können.

 

Wer stigmatisiert Ihren Beruf heute noch?

Ich erfahre besonders viel Verachtung von vermeintlichen Feministinnen. Ich muss immer wieder betonen, dass ich mich als Sexarbeiterin nicht unterdrückt fühle. Dann kommt so was wie: „Du bist nur hilflos, du redest dir das nur ein, du bist bestimmt traumatisiert.“ Diese selbst ernannten Feministinnen machen genau das, was sie meinen Kunden vorwerfen: Sie werten mich ab. Meine Kunden begegnen mir mit Respekt und Zuneigung.

Belastet Sie die Abwertung?

Mich persönlich ärgert es sehr, weil die Stigmatisierung unseres Berufs für viele Sexarbeiterinnen gefährlich ist. Viele verheimlichen deswegen ihren Job. Das heißt dann: Du kannst deine Arbeitserfahrungen mit niemandem teilen, isolierst dich von Familie und Freunden, verlierst dein soziales Netz. Ich bin im Vergleich zu anderen Sexarbeiterinnen sehr privilegiert, weil ich mich geoutet habe und meine Familie hinter mir steht. Und auch deshalb, weil ich meine Dienste im sehr hochpreisigen Segment anbiete.

Wie hat Ihre Familie auf Ihr Outing reagiert?

Am Anfang war es schwierig, denn alle haben sich große Sorgen gemacht und hatten Vorurteile und Ängste im Kopf. Aber dadurch, dass ich schon längere Zeit als Escort gearbeitet hatte, konnte ich mit meinen Erfahrungen dagegenhalten. Ich persönlich habe beispielsweise noch nie Gewalt im meinem Job erfahren.  

Welche Art von Männern kommt zu Ihnen?

Es gibt keinen Prototyp. Aber dadurch, dass ich ziemlich hohe Preise verlange – 950 Euro für zwei Stunden, 2100 Euro für eine Nacht –, sind es meist Männer zwischen 40 und 60 Jahren aus Berufsgruppen mit hohem Einkommen. Ich habe im Normalfall auch viele Kunden aus dem Ausland, weil ich in Frankfurt wohne und hier viele Geschäftsleute sind. Die meisten Begegnungen sind für mich sogar privat bereichernd und inspirierend. Viele Kunden haben mir zum Beispiel schon angeboten, meine Bachelor-Arbeit Korrektur zu lesen. 

Worüber schreiben Sie in Ihrer Uni-Abschlussarbeit?

Darüber, welche Faktoren dazu führen können, dass es zu einem asymmetrischen Machtverhältnis in der Sexarbeit zwischen Kunde und Anbieter kommt. Ich habe angefangen, Soziologie und Gender Studies zu studieren, als ich auch in die Sexarbeit eingestiegen bin, und habe mich mit den gesellschaftlichen Vorurteilen und mit dem Geschlechterverhältnis von Mann und Frau auseinandergesetzt. Ich kann meinen Standpunkt, dass ich mich in der Sexarbeit in der machtvolleren Position befinde als die Männer, wissenschaftlich-empirisch belegen. 

Einige Feministinnen, zum Beispiel Alice Schwarzer, sehen das anders und sprechen sich für ein Prostitutionsverbot aus.

Es hat noch nie eine Gesellschaft ohne Prostitution gegeben – selbst in Ländern, wo Prostitution mit dem Tod bestraft wird, gibt es sie. Die Frage ist, ob wir sie legal und sicher oder illegal und unsicher gestalten. In Neuseeland gibt es beispielsweise die liberalsten Prostitutionsgesetze, und dort ist es am sichersten für Sexarbeiter. Das Problem ist doch: Wenn wir akzeptieren, dass es Prostitution gibt, müssten wir ja zugeben, dass sie in Ordnung ist. Und das fällt den Gesetzgebern besonders schwer, wenn gesellschaftlich Stimmung dagegen gemacht wird. 

Stichwort Politik: Was hat sich durch die Corona-Krise verändert?

Durch die Corona-Maßnahmen wurden viele Sexarbeiterinnen in die Illegalität gedrängt. Statt offener Gespräche über Hygienekonzepte und finanziellen Ausgleich gab es nur Verbote, was die Ignoranz der Politik gegenüber der Sexarbeit deutlich macht. Gerade in prekären Lebenssituationen hatten viele Prostituierte keine Alternative, als illegal weiterzuarbeiten. Dann kann man sich rechtlich kaum gegen Übergriffe wehren. Auch Vermittler wie ich, die möglichen Übergriffen vorbeugen, indem sie Dates planen und Kunden vorab prüfen, durften ja nicht arbeiten. 

Wie überprüfen Sie Kunden?

Eine Person muss respektvoll sein. Ich muss das Gefühl haben, dass sie mir auf Augenhöhe begegnet. Das kann ich durch E-Mail-Verkehr und Telefonate ganz gut herausfinden.

Wie würden Sie das Verhältnis zu Ihren Kunden beschreiben?

Ich habe viele Dates mit Stammkunden, die über mehrere Stunden – meistens über Nacht – gehen. Der Sex fällt dann in den Rahmen der Intimität, der Girlfriend-Experience. Bei mir geht es um das Gesamterlebnis und nicht um spezielle sexuelle Leistungen, die in einer bestimmten Zeit erbracht werden müssen. Das heißt auch, dass der emotionale Anteil meiner Arbeit hoch ist – ich meine, ich rede sehr viel mit meinen Kunden, schließlich kann man in zwölf Stunden nicht durchgehend vögeln.

Fühlt es sich manchmal seltsam an, Geld von jemandem zu verlangen, mit dem man so eine emotionale Ebene hat?

Ja. Wenn ich zum Beispiel mit einem Mann in den Urlaub fahre, mit dem schon eine starke emotionale Bindung besteht, und er mich fragt, wie viel Geld ich für die Tage will, fällt es mir fürchterlich schwer, dieses Thema zu diskutieren. Auf der anderen Seite wird es umso wichtiger: Wenn ich von Männern, zu denen ich ein inniges Verhältnis habe, kein Geld mehr verlangen würde, würde sich noch mehr mit meinem Privatleben vermischen, als es das eh schon tut. Ich brauche meine symbolische Grenze und er seine. 

Wenn Sie so davon erzählen, klingt das alles nach vielen positiven Erlebnissen. Sehen Sie Ihren Beruf denn überhaupt als „Arbeit“?

Es macht mir Spaß, die Bedürfnisse meines Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, eine Projektionsfläche für seine Fantasien zu sein – aber das bewegt sich eben in einem bestimmten Zeitrahmen. Es ist halt ein Job. Und privat laufen Dates ganz anders ab. Ich könnte niemals mit jemandem zusammen sein, dessen Bedürfnissen ich mich nonstop anpasse. 

Welche sexuellen Grenzen ziehen Sie beim Verkehr mit Ihren Kunden?

Ich mache zwar auch Sachen, die jetzt nicht unbedingt meinen persönlichen Vorlieben entsprechen, aber ich ignoriere meine Bedürfnisse und mein Wohlbefinden nicht komplett, um jene des Kunden zu befriedigen. Allerdings sind die meisten eh lieb – ihnen ist wichtig, dass ich meinen Spaß habe.

Das heißt, Sie kommen auch sexuell auf Ihre Kosten?

Ja, meine Kunden lecken mich zum Beispiel auch unglaublich gern, und dann komme ich schon. Ich sag ihnen auch, was ich mag. Es hat schließlich keinen Sinn, wenn ich den Orgasmus vorspiele – davon habe ich nichts und der Kunde auch nicht. Meinen Kunden ist echte Leidenschaft wichtig. Natürlich ist es nicht so, dass ich meinen Orgasmus in den Mittelpunkt stelle – aber dadurch, dass meine Kunden eben auch wollen, dass ich komme, ist es eine Win-win-Situation.

Spielt auch das Alter der Männer eine Rolle?

Sicherlich. Viele Männer mit einer gewissen Lebenserfahrung sind zum Beispiel gar nicht darauf bedacht, sich als geiler Hengst im Bett zu beweisen. Sie sind oft mehr auf das intime Miteinander fokussiert. Deswegen finde ich das schon sehr angenehm und liebe meinen Beruf. Dabei will ich aber betonen, dass das nicht grundsätzlich in der Sexarbeit so sein muss. Und ich würde mir wünschen, dass es mehr Menschen so geht wie mir. Deshalb müssen die Arbeitsbedingungen besser werden.